: Südafrika will sein Uran behalten
Auch nach der Erklärung zur Herstellung von Atombomben bleiben viele Fragen offen/ Deutsche Firmen beteiligt/ Anfang April soll auch das Raketenprogramm gestoppt werden ■ Aus Johannesburg Willi Germund
Südafrikas Staatspräsident Frederik W. De Klerk war mit dem Schlußstrich unter das Kapitel „Atombombe“ schnell bei der Hand. Nachdem er am Mittwoch zugab, daß die Apartheid-Regierung sechs Atombomben gebaut hatte, erklärte er: „Ich hoffe, daß damit dieses Kapitel endgültig abgeschlossen werden kann.“ Doch nicht nur dem „African National Congress“ (ANC) scheint die Eile überhastet. Denn De Klerk schwieg zu einer Schlüsselfrage: Was geschieht mit dem angereicherten Uran, das für den Bau der „A-partheid-Bombe“ – so eine südafrikanische Zeitung – benutzt wurde?
De Klerk behauptet, es werde für die Arbeit in der Nuklearmedizin benutzt. Diplomaten in Pretoria, die es wissen müssen, beharren: „Südafrika besitzt immer noch waffenfähiges Uran.“ Nach Informationen aus Fachkreisen handelt es sich um 360 bis 400 Kilogramm auf 60 bis 95 Prozent angereichertes Uran U-235. Ein Diplomat: „Dieses Material muß laut den Bestimmungen des Atomwaffensperrvertrags unter Kontrolle der Atomenergiekommission gelagert oder entsorgt werden.“ Auch nach Zerstörung der Konstruktionspläne kann die Kap-Republik eine neue Bombe bauen – obwohl die meisten der rund 1.000 im A-Bomben-Programm beschäftigten Südafrikaner sich inzwischen im Ruhestand befinden. Diesem Problem soll internationale Überwachung abhelfen.
Washington bot De Klerks Regierung schon 1992 an, das angereicherte Uran zu übernehmen. Waldo Stumpf, Chef der südafrikanischen Atomenergiekommission, aber blieb auch gestern stur: „Wir verkaufen und kaufen kein angereichertes Uran.“ Wieviel Südafrika besitzt, will er nicht sagen. Die nach Jahren heimlichen Atombomben-Baus etwas kuriose Begründung: Aspekte der globalen Nuklearsicherheit. Laut Stumpf wird das explosive Material nach den Vorschriften der Internationalen Atomenergiekommission gelagert und permanent überwacht. Ein Verkauf wäre schwierig, da die EG ihre totalen Sanktionen über den Handel mit Nukleamaterial gegenüber Südafrika bis nach den ersten freien und allgemeinen Wahlen am Kap beibehalten wird.
Ein US-Diplomat: „Wir haben immer wieder und unnachgiebig darauf gedrängt, alle Karten auf den Tisch zu legen.“ Unter anderem, weil jetzt Argentinien und Brasilien zu ähnlichen Schritten gebracht werden könnten. Washington ist zudem besorgt, daß das angereicherte Uran in unbefugte Hände geraten könnte. Dazu gehört nach Ansicht von Beobachtern auch der ANC, der bald Teil einer Übergangsregierung sein wird. Die USA beharren darauf, daß auch das südafrikanische Programm für ballistische Raketen gestoppt wird. Laut Informationen der taz soll eine entsprechende südafrikanische Entscheidung Anfang April verkündet werden. Lediglich das Satellitenprogramm besitze noch eine Zukunft, so De Klerk.
Beim Bau der A-Bombe wie beim Raketenprogramm genoß Südafrika nach Expertenmeinung die Unterstützung Israels. Laut dem Institut für Strategische Studien in London sollen auch Deutsche, Nordamerikaner und Briten ausgeholfen haben. Ein Teil der Entwicklung beruht auf den deutschen Entwicklungen im „Dritten Reich“. Auch am Raketenprogramm sollen Deutsche beteiligt gewesen sein.
Präsident de Klerk begründete die Abschaffung der Atomwaffen nach seinem Amtsantritt mit der veränderten geopolitischen Lage. Aber Paul Bolko Mertz vom „Institute for Defence Policies“ in Johannesburg meinte gegenüber der taz: „Militärisch haben die Atombomben nie Sinn gemacht. Sie sind nur aus der Wahnidee des Total Onslaught des Apartheid-Regimes zu erklären.“ Dieses Atomwaffenprogramm wurde 1974 unter Präsident Vorster beschlossen. Sein Verteidigungsminister und Nachfolger, P.W. Botha, glaubte felsenfest, daß der Weltkommunismus Südafrika niedermachen wollte.
Wie die in Südafrika erscheinende Wochenzeitung Weekly Mail heute berichtet, kostete das Atomprogramm allerdings weitaus mehr als bislang offiziell zugegeben wurde. Professor Renfrew Christie von der „University of the Western Cape“ schätzt die Kosten auf vier Milliarden Mark – mehr als zehnmal soviel, wie Präsident De Klerk angibt. Ein Experte sagte der Zeitung, daß die Atomwaffen so ausgereift und klein waren, daß man sie sogar in einem Rucksack überall hätte transportieren können. Dokumente sollen außerdem belegen, daß bereits in den 50er Jahren mit der militärischen Nuklearforschung begonnen wurde.
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