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Tal- und Bergfahrt

■ Mariss Jansons führte die NDR-Sinfoniker zu einer Mahler-Spitze

führte die NDR-Sinfoniker zu einer Mahler-Spitze

In St. Petersburg ist er außerordentlicher Chefdirigent, der Lette Mariss Jansons, der die Osloer Philharmoniker als ordentlicher Chefdirigent aus einem Provinzorchester zur Weltspitzenkapelle machte. Mit den NDR-Sinfonikern erging es ihm am Freitag in der Musikhalle wie so vielen Kapellmeistern: Es schwankte zwischen Spitze und Mittelmaß.

Bei Beethovens drittem Klavierkonzert in c-moll op. 37, einem Werk der Mitte in vielfacher Hinsicht, saß ihm in Mikhail Rudy ein Solist zur Seite, der – nach glänzendem Karrierebeginn – einen Punkt erreicht zu haben scheint, an dem Besinnung und Kräftesammeln dringend geboten erscheinen. So rund, undeutlich in den Details, so kraftlos und weichgezeichnet kann man Beethoven heute nicht mehr spielen. Das schöne Largo klang einfach fahl und leer. Dabei will der Beethoven von 1800 – selbst in der Melancholie – immer nach außen, ins Deklamatorische, Hymnische. Und Rudi? Zog sich auf schlecht romantisch nach innen zurück. Mariss Janons konnte nicht viel machen. Er versuchte es freilich gar nicht.

Mahlers erste Sinfonie schien ihm dann erheblich besser zu liegen. Trotz gewisser Unstimmigkeiten im Zusammenspiel der NDR- Sinfoniker entstand der vielfach gebrochene, immer gespannte Ton Mahlers. Im Scherzo musizierte das Riesenorchester den deftigen Dreiertakt kraftvoll wie eine Dorfkapelle. Im Trio entwickelten sie Charme, als stammten die Großeltern aus dem Wienerwald. Auch der langsame Satz zwischen Kinderlied und Trauermarsch: schräg und burlesk, traurig und herzhaft musiziert. Im abschließenden „Dall'Inferno“ kehrten technische Unzulänglichkeiten zurück, die freilich im echt mahlerischen Durchbruch zum Traum-Adagio für ein besseres Irgendwann in Vergessenheit gerieten. Das war betörend wie das berühmte Adagietto der Fünften. Verdiente Ovationen für eine Mahler-Interpretation, die nie in puren Schönklang abglitt, aber Ballance hielt zwischen Schmerz, Satire, Melodie. Stefan Siegert

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