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Scherze auf heiligem Niveau

■ Der Pianist Krystian Zimerman glänzte in der Musikhalle

glänzte in der Musikhalle

Erstaunlich. Die Musikhalle war keineswegs ausverkauft, als am Mittwoch ein Abend mit Krystian Zimerman zu genießen war. Dabei hat der kleine Pole mit dem großen Namen was zu bieten für's (viele) Geld. Faszinierend, wie er bei den „Masques“ op. 34 seines Landsmannes Karel Szymanowski (1882 - 1937) die Musik gleichsam zu farbigen Strömen verflüssigte, um dann mit der Rechten Linien und ganze Melodien, polnische Folklore, orientalische Souvenirs hervorzuzaubern aus einem Klangmeer, das sich mehr Debussy verdankt als Wagner. Zimerman spielte Szymanowski: fernab manueller Probleme, virtuos, nie kalt, eher charmant und impulsiv, als Werbung für diese bislang völlig zu Unrecht meist überhörte, prächtige Musik.

Ganz zu sich selbst scheinen die Töne bei Debussys „Estampes pour piano“ zu kommen. Zwar gibt es auch hier Programme - Debussy komponiert an chinesischen und arabischen Eindrücken entlang -, aber Zimerman spielt diese „Drucke“ mehr als Musik, die auf sich selbst bezogen ist, bei aller Flächigkeit zugleich strukturell durchsichtig und vor allem sinnlich, dramatisch und stimmungsvoll. Als mache es geradezu Spaß, solche Schwierigkeiten zu spielen. Sie so zu hören machte allemal Spaß.

Schuberts letzte, von der Frage „Wußte er acht Wochen vor seinem Tod, daß er sterben würde?“ umwaberte B-Dur-Sonate führte an den Anfang der Erosion der klassischen Klaviersonate zurück. Wer seinen Richter oder Brendl zu sehr im Ohr hatte (ich), dem wird Zimermans Version zu unwienerisch, zurückgenommen und distanziert geklungen haben. Zimerman beantwortete obige Frage mit einem klaren „Nein!“ und präsentierte einen Schubert, der, wenn schon nicht wissentlich ans Ende seines Lebens, hier doch bewußt ans Ende der Musik gelangt war und daraus eine Sonate machte, die mit der Absurdität dieser Konstellation am Schluß nur noch wundervoll gebrochene Scherze treiben mag. Scherze freilich auf allerheiligstem Niveau. Stefan Siegert

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