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■ „Maybe I can give you sex“ im Eiszeit

Die Eingangssequenz zeigt einen jungen Mann, der nahezu gleichgültig vor Müdigkeit seine ärmliche Behausung verläßt, um in Manila-City seinem Gewerbe als Gogo-Boy nachzugehen. Einen Nichtsnutz, der keiner vernünftigen Arbeit nachgeht, hat ihn seine Mutter eben gescholten. Prostitution ist aber immer noch besser als jeder lausige Job. Zumindest sagt das eine Freundin, die Hure ist.

„Maybe I can give you sex“ von Jürgen Brüning und seinem philippinischen Kollegen Rune Layunas ist ein Dokumentarfilm über männliche Prostitution und Sextourismus auf den Phillipinen und in Thailand. Phillipinische Stricher erzählen über ihre Beziehungen zu Freiern, Beziehungen, bei denen die Grenzen zwischen Prostitution, Sex und „Liebe“ verwischen. Auch die Frage „Am I gay“, die Brüning die Stricher spielerisch aneinander richten läßt, läßt sich nicht so einfach beantworten: Eine schwule Identifikation, die dem Minderheitenmodell westlicher Provenienz vergleichbar wäre, gibt es nämlich weder auf den Philippinen noch in Thailand.

Mit dem Thema „schwuler Sextourismus“ brechen die Filmemacher ein Tabu. Seit Jahren jetten mehr und mehr schwule Männer aus dem Westen nach Manila und Bangkok, um auf den Nachtbarzeilen das schnelle Vergnügen zu suchen. Bilder und Schönheitsnormen der westlichen Medien sind längst in diese Länder exportiert worden. Ein philippinischer Stricher erzählt, warum er westliche Männer begehrt: Sie erscheinen ihm wie die real gewordenen Bilder der Musikvideos und Schwulenmagazine. In den ersten Einstellungen wandert die Kamera auch über ein James-Dean-Poster und Fotos von irgendwelchen Lovern aus dem Westen. „Joe 1-5“ hat der Stricher sie ironisch benannt.

„Maybe I can give you sex“ ist – nicht zuletzt durch die Fotografie Nan Goldins und die Kameraführung Penelope Buitenhuis' – alles andere als ein traditioneller Dokumentarfilm geworden. Er versucht nicht, die Wirklichkeit durch Bilder einzuholen – eher schon die Bilder in der Wirklichkeit: Vor einer kitschigbunten Leinwand simulieren zwei halbnackte Stricher Szenen einer Nachtbarshow. Die beiden Filmemacher experimentieren mit den Darstellungsmitteln: Auf die blaue Leinwand projizierte Standbilder werden mit Interviewausschnitten und inszenierten Episoden konterkariert, in denen die Stricher laienhaft agieren.

„Maybe I can give you sex“ ist ein Fragment. Auf einen Ausgleich eventueller Informationsdefizite sollte niemand hoffen. Der Film stellt mehr Fragen, als er beantwortet. Petra Lüschow

„Maybe I can give you sex“, 1992, 75 Min, schwarzweiß/Farbe läuft vom 5.-7. jeweils um 23.30 Uhr und vom 8.-11. April um 19.30 Uhr im Eiszeit (engl. OF)

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