■ Mit Korruptionen auf du und du: Gorlebener Millionen
Gorleben (taz) – Wenn Millionen fließen und Politiker die (vermeintlich) richtigen Entscheidungen treffen, ist das anrüchig. Die Millionen sind nach Gorleben geflossen, und die Provinzpolitiker der Region haben in den entscheidenden Abstimmungen immer für den Atomstaat votiert. Wer angesichts dieses Zusammenhangs aber von Bestechung spricht, der irrt – meint zumindest die Staatsanwaltschaft Lüneburg. Sie will einer entsprechenden Strafanzeige des Bundes für Umwelt und Naturschutz (BUND) nicht nachgehen. Begründung: „Auch wenn man die aufgestellten Tatsachenbehauptungen im wesentlichen als zutreffend ansieht, sind die daraus gezogenen Schlußfolgerungen des Verfassers nicht zwingend. Sie erscheinen vielmehr durch dessen subjektive Einstellung als engagierter Kernkraftgegner gefärbt.“ Der stellvertretende BUND-Vorsitzende Gerhard Thielke hatte zur Begründung der Strafanzeige auf eine preisgekrönte Artikelserie des wendländischen Journalisten Karl- Friedrich Kassel verwiesen. Kassel hatte beschrieben, wie niedersächsische Kommunal-, Kreis-, Landespolitiker mit Rückenwind aus Bonn seit 1979 nahezu eine halbe Milliarde Mark an den Vorschriften des Haushaltsrechts vorbei ins Wendland steuerten. Das Geld floß gezielt dorthin, wo sich auf dem Salzstock klingende Münze in Akzeptanz für ein atomares Endlager verwandeln läßt. Die Minister Birgit Breuel, Gerhard Stoltenberg und Klaus Töpfer (alle CDU) führten 1988 über diese „Akzeptanz-Mittel“ eine rege Korrespondenz.
Der Geldfluß hat den Lüneburger Oberstaatsanwalt Müller nicht irritiert. „Die Tatsache, daß... zahlreiche staatliche Stellen, von Bundesministerien über Landesregierung, -ministerin, -behörden bis zu den Kommunen befaßt sind, begründet die Vermutung der Rechtmäßigkeit.“ Auch die niedersächsische SPD-Justizministerin Heidrun Alm-Merk sieht das genauso: „Die Überprüfung der Vorgänge hat keinen Anlaß ergeben, die Sachentscheidung der Staatsanwaltschaft zu beanstanden“, ließ sie den Umweltschützern ausrichten.
Darüber muß allerdings jetzt auch der niedersächsische Generalstaatsanwalt Manfred Endler in Celle noch mal nachdenken. Denn der BUND ließ nicht locker, er hat gegen die Lüneburger Nichtermittler Dienstaufsichtsbeschwerde eingelegt. Ulla Küspert
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen