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Drei Senatoren müssen nacharbeiten

■ Bremer Karte für Sozialhilfeempfänger teurer? Über Schwarzer-Peter-Spielen beim Sparen

Böse Buben werden zum Nachsitzen gezwungen und dann hat der Lehrer sie auf dem Kieker. Und böse Buben fallen mit dem Stuhl um, wenn sie den Lehrer ärgern wollen.

Genauso geht es derzeit in der bremischen Haushaltspolitik zu: Die „bösen“ Buben und Mädels sind der Häfensenator, der Bildungssenator und die Sozialsenatorin. Sie haben ihre nachträglichen „Sonder-Sparquoten“ für den Etat 1993 zum Stichtag 15.März nicht erbracht und müssen in den Tagen nach Ostern nacharbeiten. Der Senat hat deshalb zur Strafe beschlossen, daß der Finanzsenator diese drei unbotmäßigen Ressorts „einer besonders restriktiven Prüfung unterziehen“ soll.

Der Häfensenator Uwe Beckmeyer hat, so meint jedenfalls Finanz-Kollege Volker Kröning, einen besonders üblen Trick angewandt: Er hat Etat-Posten zur Streichung vorgeschlagen, die unmittelbare Auswirkungen auf die Einnahmesituation haben. „Nicht akzeptabel“, vermerkt das Finanzressort, „unverzüglich“ soll der Kollege Häfensenator anständige Vorschläge unterbreiten.

Unwillig war auch das Bildungsressort. Sparen ist nicht weiter möglich, schrieb Staatsrat Hoffmann, es sei denn, der Senat beschließt beim Schulressourcenkonzept eine „Verringerung der Aufgaben“. Das, so darf man erwarten, bringt die betroffenen ElternvertreterInnen und die SchulpolitikerInnen auf die Barrikaden, die die Kürzung vielleicht noch abwehren können. Zweiter Nebeneffekt: Wenn die Kürzung nicht zu vemeiden ist, kann der Bildungssenator immer sagen: Der Senat hat das beschlossen... Der Finanzsenator hatte für die Spar-Probleme des Bildungskollegen Henning Scherf gewisses Verständnis und setzte ihm eine Frist bis zum 25. Mai.

Schneller muß die Sozialsenatorin Irmgard Gaertner, die auch zum 15. März nicht die erforderlichen Sparnachweise erbracht hatte, nacharbeiten: Bis zum 4. Mai will der Finanzkollege es wissen. Auch ihre Spar-Vorschläge dürften auf heftigen Protest der Betroffenen stoßen. In einem Brief an ihren Kollegen Kröning schlägt sie vor: Bei den Zuschüssen für gesundheitliche Drogenhilfe, Frauengesundheitsprojekte und die Heilbehandlung ausländischer Projekte schlägt sie 300.000 Mark zur Kürzung vor, bei den Zuschüssen nach Bundesjugendplan gleich 970.000 Mark. Die Senatorin bietet das Landespflegegeld zur Streichung an (2,75 Millionen Jahr für Jahr), beim Sonderfahrdienst für Schwerbehinderte wäre zu sparen, die BSHG-§19-Stellen könnten langsamer aufgestockt werden „Hinzuweisen ist allerdings auf die Tatsache, daß eine solche Kürzung im Widerspruch zu der anwachsenden Arbeitslosigkeit und damit auch zu den wachsenden Zahlen arbeitsloser Sozialhilfeempflänger steht“, kommentiert die Sozialsenatorin ihre eigenen Vorschläge. Der Senat könnte auch, so spielt Irmgard Gaertner den Schwarzen Peter zurück, durch Streichung der verbilligten „Bremer Karte“ für Sozialhilfeempfänger 460 Millionen pro Halbjahr sparen.

Eine augenzwinkernde Gemeinheit — denn die Ampel-Koalition würde sich herzlich blamieren, würde sie auf dieses großzügige Angebot eingehen. Offenbar sind auch andere Spar-Vorschläge des Sozialressorts im Senat als schwierig empfunden worden — es sollte „Klarheit über die Unsicherheiten bezüglich der Ressortmeldungen Gesundheit, Jugend und Soziales“ geschaffen werden, beschloß der Senat etwas umständlich um den heißen Brei herumredend. Der Finanzsenator machte aber gleich den Ernst der Lage klar: „Eine Verringerung der Quote einzelner Bereiche kann nur durch eine erneute Umlage auf die übrigen Rssorts kompensiert werden“. Im Klartext: Was der Sozialsenatorin erlassen wird, müssen andere Senatoren in ihren Ressorts zusätzlich einsparen.

Besonders brisant ist die laufende Sparrunde, die eigentlich am 15. März abgeschlossen sein sollte, weil am 20. April die Eckwerte für den Etat 1994 im Senat behandelt werden — wer jetzt bescheinigt bekommt, daß das Etat-Minimum erreicht ist, kann darauf hoffen, auch für 1994 nicht allzuviele Kürzungen in seinem Ressort hinnehmen zu müssen. K. W.

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