: Wirbel um Mielkes Schreibtisch
■ Die Arbeit der „Antistalinistischen Aktion Berlin-Normannenstraße“ (Astak) ist gefährdet / Streit mit Kultursenator um Weiterfinanzierung und Konzeption
Ein Unglück kommt selten alleine, heißt es im Volksmund; sich deshalb über weitere nicht aufregen, die Botschaft. Für die „Antistalinistische Aktion Berlin-Normannenstraße“ (Astak) ist diese Weisheit allerdings kein Trost. Sie steckt tief in Schwierigkeiten. In der vorletzten Woche wurde die 1990 aus der DDR-Bürgerrechtsbewegung entstandene Initiative indirekt ein spätes Opfer der Stasi.
Weil Mielkes Elektriker die Leitungen im ehemaligen „Horch- und-Guck“-Hauptquartier unsachgemäß hinter Holzvertäfelungen verlegten, entstand ein Brand: Vernichtet ist jetzt ein Kernstück des Astak-Museums, nämlich die ganze Abteilung „Grenzsicherungsanlagen der DDR“, darunter das von der Stasi detailgenau gezimmerte Modell des Bahnhofes Friedrichstraße. „Weitere Tretminen sind zu befürchten“, sagt Astak-Geschäftsführer Jörg Drieselmann.
Aber nicht nur Mielkes Strippen machen den Antistalinisten Sorgen, sondern vor allem der Kultursenator Roloff-Momin. Seit Wochen verhindert er, daß dem Astak rückwirkend 182.000 Mark für die Monate Januar bis April überwiesen werden. Die Haushaltslage sei angespannt, ließ der Kultursenator Anfang März auf eine mahnende Anfrage des FDP- Abgeordneten Wolfgang Mlaczkowski wissen, zudem habe der Astak „kein Konzept über die weitere Arbeit vorlegen können“.
Jörg Drieselmann hingegen argumentiert, daß das Parlament bereits im vorigen Jahr dem Kultursenat empfahl, den Astak zu fördern, ein rückwirkender Antrag deshalb nicht notwendig gewesen wäre. Auch Mlaczkowski empfindet es „als unnötiges Theater“, daß Roloff-Momin die Gelder nicht rausrückt. „Es ist ein Unding, die Opferverbände hängen zu lassen und sie in einem Wust von Bürokratie zu ersticken“, sagte er zur taz. Seine Fraktion, aber auch Bündnis 90/ Grüne werden für die nächste Sitzung des Haushaltsausschusses Ende April einen Antrag einreichen, die 182.000 Mark endlich freizugeben.
Das Gezerre um die bislang nicht ausgezahlten Märker für die ersten vier Monate des Jahres 1993 läßt ahnen, was auf die Astak ab April zukommt. Denn ab dann muß auf parlamentarischer Ebene neu über die Zukunft des Museums und der Forschungs- und Gedenksstätte verhandelt werden – und dies kann Monate dauern. Konkret wird es um die Frage gehen, wer in Zukunft Mielkes Schreibtisch und die Abhörgeräte hüten und die Biographien der Stasi-Opfer sammeln soll sowie Veranstaltungsreihen zum MfS organisiert.
Die Weichen dazu werden ebenfalls vom Haushaltsausschuß am 28. April gestellt. FDP und Grüne werden einen Antrag vorlegen, die Astak weiter zu finanzieren, während der Kultursenator Bedenken anmeldet.
Die „selbstdefinierte“ Aufgabenstellung der Astak sei weitgehend „identisch“ mit der Arbeit der vom Bund finanzierten Abteilung Forschung und Bildung in der sogenannten Gauck-Behörde, ließ er schon vor Wochen in einem Schreiben wissen. Und Kultur- Pressesprecher Klemke berichtete, daß derzeit mit dem Bundesbeauftragten für die MfS-Unterlagen Gespräche geführt werden, wie die Arbeiten dieser Verwaltung mit denen der Astak zu koordinieren sei.
Ein „Kontrastprogramm“ zu einer bei der Gauck-Behörde „institutionell angesiedelten Gedenkstätte“ sei durchaus vorstellbar, so Klemke, aber ob das bei der Berliner Geldnot zum „gewünschten Erfolg“ führen wird, sei fraglich. Zudem müßte Bedingung für eine Weiterförderung sein, daß die „jetzigen und ehemaligen Mitarbeiter des Vereins über den Zeitraum der ABM-Maßnahmen hinaus unbefristet beschäftigt werden können“.
Aber hier genau liegt der Hase im Peffer. Zwar wird der Astak, wie Drieselmann sagte, bis zur Sitzung des Haushaltsausschusses ein 60seitiges Konzeptionspapier vorlegen, das den Unterschied zur Forschung der MFS-Behörde deutlich macht (Aufarbeitung der Geschichte von unten, d.h. nicht Täter-, sondern Opferakten), aber die 13 ABM-Stellen laufen im November aus. Eine Verlängerung wird nur mit kräftigem Rückenwind des skeptischen Kultursenators möglich sein. Und es scheint mehr als fraglich, ob Roloff-Momin für ein mit Landesmitteln zu förderndes Projekt in die Bütt steigt, selbst wenn eine inhaltliche Abgrenzung zur Forschungsabteilung der sogenannten Gauck-Behörde möglich wäre.
Zudem hegt die Kulturverwaltung Mißtrauen gegen die Astak, dem durch Konzepte nicht beizukommen ist. Es geht um Personen. Geschäftsführer Drieselmann, seit Sommer letzten Jahres im Amt, sei kein originärer DDR-Bürgerrechtler, sondern koche als ehemaliger Referent beim vom Bundesinnenministerium finanzierten Bildungswerk „Haus der Zukunft“ sein konservatives Süppchen, ist in der Kulturverwaltung zu hören. Unter seiner Amtszeit seien einige Gründungsmitglieder herausgedrängt worden.
Drieselmann hingegen kontert, daß Roloff-Momin mit der DDR- Bürgerrechtsbewegung nie vertraut gewesen ist, denn sonst wüßte er, daß diese nicht erst 1989 begonnen habe. Er habe in den fünfziger Jahren aus politischen Gründen in Stasi-Gefängnissen gesessen: „Ich stehe auf den Schultern der Aufständler vom 17. Juni.“ Den „Schleudersitz“ Astak-Job habe er in Nachfolge eines „Wessis“ übernommen, der gesamte im letzten Jahr gewählte Vorstand käme aus dem Osten. Von „internen Turbulenzen“ keine Spur, sondern Einigkeit darüber, daß die „Erinnerung an jene, die unter dem DDR-Staat gelitten haben, wachgehalten werden muß“. Anita Kugler
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