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Die Unabhängigkeit des Experten

■ Chefveterinär der britischen Regierung verplappert sich

London (taz) – Wenn bisher unbekannte Epidemien und neue Krankheitsformen auftreten, sind Bevölkerung und PolitikerInnen auf die Wissenschaft angewiesen. Wer sonst sollte Gefahren einschätzen und Vorsichtsmaßnahmen empfehlen, auch wenn sie politischen oder wirtschaftlichen Interessen zuwider laufen?

Es ist daher besonders fatal und heimtückisch, wenn WissenschaftlerInnen nicht zunächst unvoreingenommen die neue Krankheit untersuchen, sondern sich diesen Interessen unterordnen, weil das für die Bevölkerung schwer durchschaubar ist – es sei denn, die ExpertInnen verraten sich versehentlich.

Der Chefveterinär der britischen Regierung, Keith Meldrum, hatte den Experten Richard Kimberlin von der neuropathogenetischen Einheit in Edinburgh im „Interesse einer ausgewogenen Berichterstattung“ über die Rinderseuche BSE wärmstens empfohlen. Der Wissenschaftler ist international stark gefragt und hält regelmäßig Vorträge in anderen europäischen Ländern.

Der Versuch der taz, mit Kimberlin telefonisch ein Interview zu verabreden, löste jedoch ein Mißverständnis aus. Der Wissenschaftler hielt mich für einen Mitarbeiter Meldrums. „Ich stehe nicht gerne im Blickpunkt“, sagte Kimberlin am Telefon. „Man weiß ja, wie diese Medienleute arbeiten. Sie legen sich ihr Material zurecht, um es in die Richtung zu biegen, die sie haben wollen. Aber ich habe Keith (Meldrum, d. Red.) versprochen, es zu machen. Ich werde die also mit ein paar Informationen füttern, die in unserem Interesse sind.“

Diesem Interesse sind offenbar zwei von Kimberlins Kollegen hinderlich, weil sie mit ihren warnenden Äußerungen die staatlichen Beruhigungsversuche unterlaufen: Richard Lacey, Mikrobiologe an der Universität Leeds, und Harash Narang, vom staatlichen Gesundheitslabor suspendierter Forscher in Newcastle. „Das wichtigste ist, daß wir Lacey und Narang loswerden“, sagte Kimberlin und fügte lachend hinzu: „Das würden wir ja wohl alle gerne, nicht wahr?“ Auch von Professor Heino Diringer vom Bundesgesundheitsamt in Berlin hielt Kimberlin nicht viel: „Dieser Diringer ist ein netter Kerl, aber völlig fehlgeleitet.“

Bei einem erneuten Telefongespräch mit Kimberlin, das am nächsten Tag ohne Mißverständnis ablief, forderte der Wissenschaftler „1.500 Deutschmarks“ für 20 Minuten seiner Zeit, ging dann aber auf den „Sonderpreis von tausend Deutschmarks“ herunter, worauf die taz auf das Interview mit dem „unabhängigen Wissenschaftler“ verzichtete. RaSo

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