■ Das Portrait: Joan Miró
Ordnung und frühes Leid: als der Achtzehnjährige, dem Befehl der Eltern gemäß, zwei Jahre Bürodienst abgeleistet hatte, erlitt er einen physischen und psychischen Zusammenbruch. Der Vater, Uhrmacher und Goldschmid und so nicht nur der Ordnung, sondern auch der Schönheit verbunden, hatte schließlich ein Einsehen und entließ den Adoleszenten, nach der nötigen Erholungsphase, in seinen Traumberuf: die Malerei.
Von da an war Miró, so scheint es, ein Verfolgter des Glücks: Es begann mit seinem Lehrer Francisco Gali, der den Studenten in Barcelona instruktiv und sensibel begleitete – so forderte er ihn auf, die Objekte, die er malen wollte, ausdauernd zu berühren, um sein Gefühl für Material und Ausdehnung zu stärken. Den späten Plastiken Mirós merkt man diese haptische Schulung noch an. Auch führte Gali den anfangs traditionell und realistisch übenden Miró (der sein Werk lebenslänglich als Handwerk beschrieb und sich bewußt von den theoretisch sich legitimierenden Surrealisten abgrenzte) an die Moderne heran. Folgerichtig läßt sich Mirós Biographie von der Metropole Paris, in der er seit 1919 immer wieder lebte, nicht mehr trennen. Die ausgehenden dreißiger Jahre verbrachte er dort, bis die Nazis ihn vertrieben, die Schrecken des Krieges in Bilder bannend, die man in der Rezeption Mirós fast systematisch vernachlässigt: der Publikumsliebling und „katalanische Zauberer“, als heiterer Träumer gefeiert, sollte der Künstler ohne Harm und Hader bleiben.
Nr. 15
„Complainte du Lézard
amoureux, 1947“
Zu Mirós hundertstem Geburtstag am 20. April wird in Barcelona (in der Fundació Joan Miró) eine Retrospektive mit rund 500 Werken eröffnet; parallel zeigen dort der Palau de la Virreina keramische Arbeiten und Skulpturen und die Fundació Caixa de Catalunya Fotos des Künstlers von Francesco Catalá-Rocca; Madrid, Palma de Mallorca und New York erweisen ebenfalls die Reverenz. Über mangelnden Besuch werden sich die Museen nicht beklagen können: dem Wunsch Mirós selbst gemäß, sind seine Bilder von Kind bis Kegel unmittelbar anrührend und verständlich. Wie Chagall hat er seine eigene Poetologie vertieft und bereichert, aber nie mehr verändert – anders als der Erstgenannte aber sind ihm Unschuld, Ironie und Schönheit nicht zum Kitsch geronnen. Meint jedenfalls ES
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