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Die Maus stirbt für den Menschen

■ Zum Internationalen Tag des Versuchstieres stehen die Praktiken der Chemieunternehmen unter Kritik

Berlin. Genau 101.324 Wirbeltiere sind im vergangenen Jahr in den Labors des Berliner Pharmakonzerns Schering für Versuche gebraucht worden. Nimmt man noch die für Ausbildungseingriffe getöteten Kreaturen hinzu, so erhöht sich nach Konzernangaben die Zahl auf 108.778.

Traurige „Spitzenreiter“ in der Konzernbilanz sind Mäuse und Ratten, gefolgt von Meerschweinchen und Kaninchen, Hunden, Fischen, Hamstern, Fröschen und Affen.

Die Pharmaindustrie behauptet, die Tiere zu brauchen, um noch wirksamere Medikamente entwickeln zu können. Sie beruft sich auf das Tierschutzgesetz von 1986, das Tierversuche ausdrücklich sanktioniert. Die Tierversuchsgegner hingegen pochen auf den Paragraphen, der gebietet, das Tier als Mitgeschöpf zu behandeln.

Peter Günzel, Leiter der experimentellen Toxikologie bei Schering, erklärt, daß die Zahl der Versuchstiere in den letzten Jahren gesunken ist. Und Schering-Pharmakologe Dr. Olaf Loge, Mitglied in der Berliner Tierschutzkommission, sagt: „Beim Stand der Forschung kann auf Tierversuche nur teilweise verzichtet werden.“ Alternativen seien physikalische und chemische Meß- und Testsysteme oder Computermodelle sowie „in vitro“-Methoden, bei denen mit Organen, Geweben, Zellen oder Mikroorganismen gearbeitet wird. Allerdings müßten auch dafür Tiere getötet werden.

Eine neue Gesetzesnovelle stärkt die Position der Industrie, die gedroht hatte, Grundlagenforschung ins Ausland zu verlegen, sollte jegliche Organentnahme bei den Gesundheitsämtern genehmigungspflichtig werden. Um das Verhältnis zwischen Befürwortern und Opponenten von Tierversuchen zu entkrampfen, habe man sich deshalb 1987 auf einem Kongreß zusammengesetzt. Ein Ergebnis war, daß Schering auf Druck der Tierversuchsgegner seit 1990 ein alternatives Vorhaben am Krebsforschungszentrum Heidelberg sponsere. Pro Jahr kostet dies 250.000 Mark. „Das Verhältnis zu den Tierversuchsgegnern hat sich dadurch entspannt, sie sehen uns nicht mehr als Schänder“, sagt Günzel.

Dies sehen die Tierversuchsgegner allerdings nicht so. Carola Gesch, Sprecherin des 1.500 Mitglieder starken, sehr heterogen zusammengesetzten Tierversuchsgegner Berlin e.V.: „Wir werden uns doch mit Schering, unserem ärgsten Feind, nicht verbrüdern. Wir vertreten die Tiere gegen ihre Mörder.“

Die Bundesregierung stecke zehnmal mehr Geld in Forschung, bei der Tiere getötet werden, als in die Alternativforschung. Am Freitag, wenige Stunden vor dem Internationalen Tag des Versuchstieres am 24. April, zog der Verein deshalb zu einer Mahnwache vor das Schering-Hauptgebäude im Bezirk Wedding. André Gross/ADN

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