: twingel Twangel-Revolution
■ „Die Sterne“ und „Das Neue Brot“ im Lagerhaus, 20.00 Uhr
Es ist ja kein Geheimnis mehr, daß es abseits von Peterle Maffay und Toten Hosen wieder neue, hörbare Musik in Deutschland gibt. Während sich die ewiggestrigen Trendsucher noch um Grunge und anderen Unsinn kümmern, hat sich in Hamburg um die Labels „L'Age d'Or“ und „What's so funny about ?“ eine völlig neue Szene gebildet. Ein Haufen Bands mit seltsamen Konzepten schickt sich an die Republik zu erobern, wie es vor über zehn Jahren schon Ideal und Co getan haben.
Gemeinsam haben alle Bands eine eigensinnige Grundhaltung und skurile Bandnamen wie Die Allwissende Billardkugel, Die Regierung, Huah! oder Hrubesch Youth. Aber obwohl sich ein dünner, roter Faden durch die Szene zieht, ist jede dieser Bands eine Welt für sich. Die Sterne machen Musik, die zu teutonischem Betroffenheitsrock passt wie Nutella zu eingelegtem Hering. Coole Grooves, Twingel Twangel-Beat, rumpelige Samples, intellektuell verschlüsselte Texte und ein ausgeprägter Hang zur Spinnerei zeichnen das Quartett aus.
Während sich andere Hamburger Bands wie Ostzonensuppen- würfelmachenkrebs oder Blumfeld eher noch an traditionellen Rock-Schematas orientieren, lassen sich Die Sterne von Samples und funkigem Hip Hop-Groove inspirieren. Mit „Fickt das System“ hatten Die Sterne den Tanzflächenfeger des letzten Jahres. Erstaunte Gesichter gab es in den Szene-Clubs, aber inzwischen hat sogar die „Bravo“ entdeckt, was zur Zeit so zwischen Michel und Fischmarkt passiert. Erstaunte Gesichter wird es wohl auch im Lagerhaus geben wenn Die Sterne mit zwei DJs und erstem Album „Wichtig“ loslegen. Denn wer nach „Fickt das System“ und der Ton, Steine, Scherben-Coverversion „Jenseits von Eden“ eine politische Agit Pop-Kapelle erwartet, wird ob der Tanzbarkeit verwundert sein. „Tanzie, tanzie“ ist auch Das Neue Brot, zwei junge Ostfriesen, die alles andere als leichte Kost sind.
Komische Klangmixturen und abgedrehte Texte paaren sich mit hippen Rhythmen und auch vor dem Nirvana-Riff macht man nicht halt. Die breite Disco-Masse steht dem noch skeptisch gegenüber, was die Underground- Schöngeister aus Hamburg da treiben. Zu unberechenbar und fremd ist die kommende Twingel-Twangel-Revolution (Begriff zum zitieren freigegeben). Was die Kuh nicht kennt und so...
Fußballstadien wird man mit einer radikalen Abkehr von deutschen Högewohnheiten wohl kaum füllen. Aber den unbekümmert frischen Sound aus dem hohen Norden haben wir bitter nötig um Die Fantastischen Vier und ähnliche Tiefschläge zu vergessen. „Pop-Musik darf nicht dumm sein“ meint Die Allwissende Billardkugel und die muß es ja schließlich wissen.
StErn
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