: „Den letzten beißen die Hunde“
■ Über das Elend von V-Leuten / Schwere Schlappe für die Bremer Drogenfahndung
Eine peinliche Schlappe der Bremer Drogenfahndung: Gestern ging ein Prozeß zu Ende, bei dem die Polizei keine glückliche Figur machte. Angeklagt waren zwei Polizeiinformanten aus der Drogenszene und ein Kurier. Der Prozeß endete mit einem Freispruch, einem Schuldspruch ohne Bestrafung und einer Bewährungsstrafe von neun Monaten. Alle drei waren zwar in einen Großdeal verwickelt, aber die Polizei hätte einen Teil des Geschäfts verhindern können. Das Informantenpaar hatte die Polizei benachrichtigt, doch die hatte nicht zugegriffen. Stattdessen fanden sich die beiden Spitzel auf der Anklagebank wieder. „Ein hässliches Lehrbeispiel für das Elend der informellen Informanten“, wetterte Verteidiger Behm.
Im April letzten Jahres machte sich ein Hannoveraner Großdealer in Bremen auf die Suche nach einem großen Geschäft: Zwei Kilo Heroin wollte er einkaufen. Er traf auf Mehmet L. Der brachte ihn zu zwei Bremer Verkäufern. Der Deal wurde ohne den Vermittler Mehmet L. verabredet. Der sollte nur seine Frau als Kurier engagieren. Am Tag darauf traf sich Mehmet L. und seine Frau Sabine mit Aydin A. in einer Neustädter Kneipe. Dort war auch Kerim D. Der hatte sich von einem der Verkäufer Geld geliehen, das der nun unbedingt wiederhaben wollte.
Und nun gab es eine Gelegenheit, die Schulden abzuarbeiten. Wenn er der Frau ein verstecktes Heroin- Paket übergeben würde, dann seien die Schulden vergessen. Sabine L. übernahm das Heroin und fuhr in eine Waller Kneipe, wo der Hannoveraner schon wartete. Mit 60.000 Mark in der Tasche kehrte sie in die Neustadt zurück.
Was nach einer eindeutigen Geschichte aussieht, entpuppt sich als kaum zu entwirrendes Problem, denn: Die Polizei hatte ihre Finger im Spiel. Die L.s hatten sich schon vorher als Informanten angedient. Mit den Beamten der Waller Sondergruppe West waren sie per Du, den Chef der Drogenfahndung kannten sie auch.
Den Deal habe sie am Wochenende nicht melden können, sagte Sabine L. Aber zwei Tage später habe sie berichtet: Der Stoff sei so schlecht, daß es zu einer Nachlieferung kommen solle. Und als am selben Abend die Nachlieferung von 400 Gramm Heroin über die Bühne ging, da telefonierte Sabine L. aus der Discothek heraus, in der die Übergabe stattfand, mit der Waller Drogenfahndung. Doch
die reagierte nicht. Einige Wochen darauf wurden die L.s wegen des Zwei-Kilo-Deals angeklagt.
In den Polizeiakten fanden sich zwar Hinweise auf Kontakte, aber die Staatsanwaltschaft hatte den Verdacht, daß die L.s den Deal erst gemeldet hätten, als sie kalte Füße bekamen. Von einem Telefonat war in den Akten nichts zu finden.
Die Sache mit der Polizei sei der Frau erst später gekommen. Werner W. ist Leiter der Drogenfahndung. Wenn die Polizei von dem Deal erfahren hätte, hätte sie zugegriffen. Die Polizei habe ihnen nie das Placet gegeben, sich an großen Deals zu beteiligen.
Mit wem hat Frau L. während des 400-Gramm-Deals telefoniert, das war die Frage. Ein Fahnder nach dem anderen kam in den Zeugenstand. Bis sich einer erinnerte: Er habe das Telefonat geführt. Alle im Gerichtssaal hielten den Atem an. Warum das nicht in den Akten stünde und die Polizei nichts getan habe, fragte Richterin Robrecht. „Ich habe gerade Überstundenzettel fertiggemacht. Ich weiß nur noch, daß ich 13 Stunden gearbeitet habe.“
Die Staatsanwältin plädierte auf Freispruch bei Mehmet L. und darauf, daß bei Sabine L. von einer Bestrafung abzusehen sei. Kerim D. aber müsse wegen Handels bastraft werden. „Den letzte beißen die Hunde“, kommentierte Rechtsanwältin Kopp. Sogar der Hannoveraner Großhändler habe nur ein Jahr und zehn Monate bekommen, weil das dortige Gericht die Verwicklungen der Bremer Polizei nicht hatte entwirren können. Die L.s hatten Glück, daß ein Polizist seinen Fehler zugegeben hatte. Für die Drogenfahndung und den Einsatz von Informanten hatte die Verteidigung nur harte Worte: „Hier werden Leute benutzt, und wenn alles zu unsicher wird, werden sie zu Beschuldigten gemacht“, so Leineweber.
Vom Leben der L.s ist nichts übriggeblieben. Sie sind mittlerweile geschieden, Sabine L. lebt unter Polizeischutz, Mehmet L. hat das für sich abgelehnt. Er weiß keinen Ort mehr, an dem er sich sicher fühlen könnte. Noch nicht einmal sein Anwalt kennt seine Adresse.
J.G./Foto: T.V.
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