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EG und USA wollen in Bosnien abwarten

■ Die EG will Miloševićs Angebot prüfen, die USA wollen das Referendum der bosnischen Serben abwarten, die Kroaten vertreiben in Mostar Muslime, wo die UNO ihre Mannen abziehen mußte

Berlin/Brüssel/Washington (taz/AFP/dpa/AP) – In einem Punkt ihrer Bosnien-Politik sind sich die Regierungen der USA und der EG nun einig: erst mal abwarten. Nach dem Treffen der EG- Außenminister in Brüssel gab der deutsche Außenminister am Montag abend bekannt, man wolle jetzt den serbischen Präsidenten Milošević beim Wort nehmen. Der hatte nach der Ablehnung des Vance-Owen-Planes durch das „Parlament“ der bosnischen Serben angekündigt, diese würden nun – Lebensmittel ausgenommen – aus Serbien nicht mehr weiterversorgt. „Wir sind alle gespannt, ob den Worten Taten folgen“, sagte Klaus Kinkel, „im übrigen warten wir jetzt ab, was weiter geschieht.“

Am selben Montagabend bekräftigte der Sprecher des Weißen Hauses, Richard Boucher, die Bosnien-Politik der Clinton-Administration befinde sich „im Wartezustand“. Man werde erst mal abwarten, wie die Volksentscheidung der bosnischen Serben über den Vance-Owen-Plan am kommenden Wochenende ausgehe. Vom Referendum halte die US-Regierung allerdings im Gegensatz zu „einigen unserer Verbündeten“ nichts. Auch der EG-Unterhändler Owen betonte im übrigen, daß er dem Referendum „nicht eine Unze an Glaubwürdigkeit“ gebe.

Die EG-Außenminister boten ihre Hilfe bei der Überwachung der von der serbischen Führung in Belgrad beschlossenen Blockade gegen die bosnischen Serben an. „Mehrere hundert Mann“ sollen an die Grenze geschickt werden. Auf Nachfrage mußte Kinkel allerdings einräumen, daß eine Zustimmung von Milošević zur Entsendung von internationalen Beobachtern an die Grenze zwischen Serbien und Bosnien-Herzegowina nicht vorliege.

Hinter der gemeinsamen Abwartehaltung der Europäer und US-Amerikaner verbergen sich grundsätzlich verschiedene Optionen. Die US-Regierung setzt auf die Bombardierung der serbischen Nachschubwege aus der Luft und die gleichzeitige Aufhebung des Waffenembargos für die Truppen der bosnischen Regierung. Die Regierungen der EG-Staaten ziehen dem die Errichtung und militärische Verteidigung von Schutzzonen vor und forderten nun die USA und auch die Russen auf, sich an der Schaffung von Sicherheitszonen zu beteiligen. Präsident Clinton geriet am Wochenende unter starken Druck des Kongresses, klare Vorgaben und Ziele für einen Militäreinsatz zu nennen und eine eindeutige Unterstützung der Europäer zu gewinnen. „Wir müssen schon ganz sicher wissen, wo unsere Interessen liegen, welche Ziele wir haben, wie hoch die Kosten sein werden, was wir erreichen können, wie wir wieder herauskommen“, faßte der Abgeordnete Lee Hamilton, Vorsitzender des außenpolitischen Ausschusses im Repräsentantenhaus die Bedenken des Kongresses zusammen. Owen lehnte am Montag eine Aufhebung des Waffenembargos für die bosnischen Regierungstruppen erneut ab und forderte die USA auf, 2.000 Soldaten in die von der UNO zu Schutzzonen erklärten Bürgerkriegsgebiete zu entsenden. Auch der derzeitige EG-Ratsvorsitzende, der dänische Außenminister Niels Helveg Petersen, forderte nach den Beratungen mit seinen europäischen Amtskollegen am Montag abend in Brüssel im Namen der „Zwölf“ die USA und Rußland auf, sich an der Errichtung von Sicherheitszonen zu beteiligen. Der französische Außenminister Alain Juppe schlug vor, nicht nur die Grenze Bosnien- Herzegowinas mit Serbien, sondern auch mit Kroatien abzuschotten. Hintergrund dieser Forderung sind die Kämpfe zwischen Muslimen und bosnischen Kroaten, die offenbar von der Armee Kroatiens unterstützt werden. Vor allem in der herzegowinischen Hauptstadt Mostar kam es zu schweren Auseinandersetzungen, die erst nach der Vereinbarung eines Waffenstillstandes zwischen dem bosnischen Präsidenten Alija Izetbegović und dem Führer der bosnischen Kroaten Mate Boban wieder abflauten. Der UN-Sicherheitsrat forderte am Montag abend die „paramilitärischen Einheiten der bosnischen Kroaten“ auf, sich „sofort“ aus den umkämpften südlichen Regionen Mostar, Jablanica und Dreznica zurückzuziehen. Im übrigen beschwerte er sich, daß sich die UN-Truppen aufgrund der Gefechte hätten zurückziehen müssen und forderte die bosnischen Kroaten auf, den Zugang zu Mostar wieder zu erlauben. Izetbegović forderte inzwischen den UN- Sicherheitsrat in einem offenen Brief auf, Mostar – wie schon Sarajevo, Tuzla, Goražde, Zepa, Srebrenica und Bihać – ebenfalls zur „sicheren Zone“ zu erklären. Hunderte von muslimischen Frauen und Kindern waren in Mostar auf einem Fußballplatz zusammengetrieben und anschließend unter Bewachung kroatischer Soldaten in Bussen abtransportiert worden. Militärbeobachter der UNO versuchten bislang vergeblich, in eine Hubschrauber-Fabrik am Stadtrand zu gelangen, in der angeblich über tausend muslimische Zivilisten festgehalten werden. thos

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