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Wo das göttliche Gesetz vollkommen ausreicht

■ Erste islamische Menschenrechtsorganisation in Saudi Arabien verboten

Kairo (taz) – Das Königreich Saudi Arabien, so beschloß es der Rat der islamischen Rechtsgelehrten des Landes, braucht keine Menschenrechtsvereinigung. Begründung: In Saudi Arabien herrsche das göttliche Gesetz — und das reiche vollkommen aus. Damit war in der vergangenen Woche ein kurzes Experiment jäh beendet worden. Anfang Mai hatte eine Gruppe islamischer Geistlicher das „Komitee zur Verteidigung legitimer Rechte“ aus der Taufe gehoben. Dessen verkündetes Ziel war es, die Rechte eingesperrter Prediger zu verteidigen, die die Regierungspolitik und deren westliche Ausrichtung kritisiert hatten. Es wollte die islamische Legitimität der saudischen Judikative in Frage stellen und sprach von Menschenrechten, Stimmrecht für Frauen und Männer und Demokratie.

Die Antwort kam schnell. Die Gruppe wurde aufgelöst, ihr Sprecher, Muhammad bin Abdullah al- Masari, am Samstag verhaftet. Sein Vater, der Vorsitzende der Gruppe, Scheich Abdullah al-Masari, sagte gestern in einem Telefongespräch mit der Nachrichtenagentur AFP, Hunderte von Oppositionellen seien in den letzten Tagen festgenommen worden, nachdem in verschiedenen Landesteilen Demonstrationen von Anhängern der Organisation stattgefunden hätten. Bereits am vergangenen Donnerstag waren die Mitglieder der Gruppe von all ihren Ämtern enthoben worden; auch der verhaftete Sprecher, ein Physikprofessor, wurde entlassen und das Anwaltsbüro eines ihrer Gründer geschlossen.

In Saudi Arabien gärt es. Vor allem die Anwesenheit von einer halben Million US-Truppen während des Golfkrieges vor über zwei Jahren lies die islamische Opposition im Königreich anwachsen. Zwar wurden seitdem viele radikale Prediger aus den Moscheen entfernt, aber ihre Predigten, auf Kassetten oder Videobändern festgehalten, kursieren weiter. So manchen erreicht die Mission sogar frei Haus per Faxgerät.

Eine Herausforderung, die das saudische System, das sich völlig auf religiöser Basis legitimiert, an seiner Archillesferse trifft. Denn das saudische Königshaus sieht sich als Verteidiger der puritanischen wahabitischen Islamlehre und als Beschützer der heiligen Stätten in Mekka und Medina. Saudische Geschäftsleute gehörten vor allem vor dem Golfkrieg zu den wichtigsten Finanziers der islamistischen Bewegung in anderen arabischen Ländern.

Selten nur dringen Nachrichten über die Opposition nach außen. Schließlich wird ein großer Teil der arabischen Medien von der saudischen Königsfamilie finanziert. Andererseits zeigt auch der Westen keine großen Ambitionen, seinen bedeutendsten Öllieferanten und wichtigsten Verbündeten am Golf zu diskreditieren.

Doch in den letzten Jahren hat sich nicht nur eine verstärkte Opposition durch radikale Islamisten entwickelt. Viele von ihnen sind Absolventen von islamischen Universitäten und Religionsschulen, deren Studium von der saudischen Regierung finanziert wurde, für die der moderne saudische Staat dann aber keine Verwendung hat. Daneben hat sich auch eine „gemäßigte“ Richtung in der Opposition herausgebildet, die sich auf den Islam stützt und zugleich mehr individuelle Rechte und eine schnellere Reformierung des politischen Systems fordert. Besonders nach dem Golfkrieg machte sich die Hoffnung breit, daß auch die konservativen Regimes der Golfstaaten sich einer begrenzten Demokratisierung nicht mehr verschließen können.

Seitdem ist wenig geschehen. Saudi Arabien hat immer noch keine eigene geschriebene Verfassung, sondern betrachtet nur die Scharia, das Islamische Gesetz, als sein Grundgesetz. Obwohl die Regierung im März letzten Jahres versprochen hat, innerhalb eines halben Jahres ein beratendes Gremium, den Schura-Rat, zu schaffen, blieb es weitgehend bei diesem Versprechen. Ein Richter wurde als Sprecher des Rates bestimmt. Die Ernennung der Mitglieder steht noch aus. Frauen dürfen das Land immer noch nicht ohne schriftliche Einwilligung des Ehemannes oder eines männlichen Verwandten verlassen, kämpfen weiterhin um das Recht, Auto fahren zu dürfen.

Brutal ist auch der Umgang mit der meist im Untergrund agierenden Opposition. Die in Kairo ansäßige Arabische Organisation für Menschenrechte spricht in ihrem Bericht vom April auch von zahlreichen Beschwerden über Tod und Folter in Gefängnissen. Für den saudischen Innenminister Prinz Nayef Abdel-Aziz kein Thema. „Wir als Königreich mit unseren islamischen Prinzipien, respektieren die Menschenrechte mehr als irgendein anderer Staat oder eine andere Gesellschaft auf dieser Welt“, ließ er in dem von Saudi Arabien finanzierten und in London produzierten Satelliten-TV Middle East Broadcasting verlauten. Karim El-Gawhary

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