piwik no script img

Kurswechsel in Londons Bosnienpolitik?

■ Verteidigungsminister schließt Militärintervention nicht aus

Dublin (taz) – Der britische Verteidigungsminister Malcolm Rifkind hat gestern erklärt, daß Großbritannien „möglicherweise militärische Aktionen in irgendeiner Form“ in Bosnien durchführen werde, nachdem die bosnischen Serben den Vance-Owen-Friedensplan offenbar abgelehnt haben. Nach seiner Ankunft zu einem Besuch in Malaysia sagte Rifkind, daß die internationale Gemeinschaft alle Mittel in Betracht ziehen müsse, um Druck auf die bosnischen Serben auszuüben. Er lehnte jedoch erneut die von den USA geforderte Aufhebung des Waffenembargos gegen die bosnischen Muslime ab.

Ob Rifkinds Andeutung einer militärischen Intervention eine Abkehr von der bisherigen britischen Position einleitet, ist allerdings fraglich. Das britische Kabinett hat schließlich in der Vergangenheit immer wieder betont, daß man „Angriffe gegen die bosnischen Serben nicht ausschließen“ wolle. Bei seinem Besuch in Washington im April erweckte Rifkind den Eindruck, daß Großbritannien bereit sei, Luftangriffe auf die Serben nicht nur verbal zu unterstützen, sondern aktiv daran teilzunehmen. Später erklärte der Verteidigungsminister jedoch, daß dieser Eindruck auf einem Mißverständnis beruhe: Er habe die Teilnahme an Luftangriffen lediglich für den Fall in Aussicht gestellt, daß die kanadischen Truppen in Srebrenica angegriffen würden.

In den USA hatte dieser „Rückzieher“, wie das britische Verhalten in Washington bezeichnet wird, Empörung ausgelöst. Der demokratische Senator Joseph Biden vom Ausschuß für Außenbeziehungen forderte die britischen und französischen Truppen vor einer Woche auf, Bosnien zu verlassen, falls sie „ihre Anwesenheit dort weiterhin als Entschuldigung benutzen, um den Bosniern das Menschenrecht der Selbstverteidigung vorzuenthalten“. Die Londoner Regierung versuchte, den Konflikt mit den USA herunterzuspielen. Ein britischer Diplomat sagte, er sei zwar von der Heftigkeit der Verbalattacken überrascht, führte das jedoch auf die innenpolitischen Schwierigkeiten Clintons zurück: „Er findet es offenbar nützlich, den Europäern die Schuld für das internationale Zittern zu geben.“

In der britischen Presse werden die Stimmen lauter, die einen vollständigen Rückzug aus Bosnien fordern. „Die Aktionen der bewundernswerten UN-Soldaten und des UNHCR haben lediglich die bittere Wahrheit verschleiert“, schrieb Michael Ignatieff in einem Leitartikel des Observer. „Unsere Intervention war vermutlich weitaus schlimmer als lediglich nutzlos.“ Ralf Sotscheck

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen