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Die Geduldsprobe vor der Gedenkstätte

■ Neuengamme: Die Roma haben ihr Zeltlager vom Kornfeld auf den Heinrich-Stubbe-Weg verlegt / Anwohner rumoren

haben ihr Zeltlager vom Kornfeld auf den Heinrich-Stubbe-Weg verlegt / Anwohner rumoren

Der Konflikt um die Roma- Mahnwache vor der Gedenkstätte Neuengamme geht weiter: Gestern haben die Roma ihr Zeltlager vom Kornfeld auf den Heinrich-Stubbe- Weg verlegt. Roma-Sprecher Rudko Kawczynski: „Wir kommen damit der Bitte des Pächters nach und wollen gleichzeitig Vorbereitungen für schlechtere Wetterbedingungen schaffen.“ Die Roma campieren — wie berichtet — seit Sonntag in einem Zeltlager, nachdem ihnen die Polizei den Weg auf das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers versperrt hatte.

Obwohl die Polizei die Mahnwache in 800 Metern Entfernung von der Gedenkstätte offiziell duldet, versuchen Polizeibeamte durch zermürbende Personalienkontrollen die Roma doch zum Abzug zu bewegen. Mit rassistischen Flublättern heizt überdies die neofaschistische Nationale Liste um den Bergedorfer Thomas Wulff das Klima an, hofft so in der Bevölkerung Fremdenhaß zu schüren und die Menschen in Hamburgs Osten gegen die Roma aufzuwiegeln.

Nicht ohne Erfolg: Nachdem am Dienstagabend die Bezirksversammlung Bergedorf den CDU-Antrag auf sofortige Räumung des Lagers mit den Stimmen von SPD, FDP und GAL abgelehnt hat, demonstrierten am Mittoch nachmittag rund 50 aufgebrachte Neuengammer mit einem Autokorso gegen die Mahnwache. Sie zogen vor das Bezirksamt Bergedorf in der Wentorfer Straße und verlangten die Auflösung des Lagers: Durch das Zeltlager am Heinrich-Stubbe-Weg sei die Verbindungsstraße zur Elbe blockiert, so daß die Neuengammer einen vier Kilometer langen Umweg fahren müßten.

Zudem sei die Situation für die Einwohner des Vierlande-Dorfes unerträglich. Die Roma würden auf den Bauernhöfen um Wasser bitten, würden kleine Bäume zu Brennholz verfeuern. Diesen Vorwurf bestreitet Rudko Kawczynski: „Ich habe von drei Bauern Brennholz gekauft.“ Die Geschäftsleute beklagen überdies, daß ihnen wegen der Fremden die Kundschaft weglaufe, bekannte Vorurteile werden laut. Eine Neuengammerin: „Wir müssen jetzt alles abschließen, sonst klauen die uns alles.“

Rudko Kawczynski kann den Zorn vieler Neuengammer wegen der blockierten Verbindungsstraße zwar nachvollziehen, macht aber den Hamburger Senat für die entstandene Situation verantwortlich. Kawczynski: „Es ist unerträglich, was der Senat den Neuengammern und uns zumutet.“ Viele Bewohner der Dorfes äußern sich aber auch durchaus differenziert. „Das Lager muß unverzüglich vom Heinrich- Stubbe-Weg in die Gedenkstätte

1verlegt werden“, so ein Anwohner. Außerdem müßten die Roma mit Wasser versorgt und Toiletten aufgestellt werden.

Für eine Verlegung der Mahnwache auf das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers hat sich auch die GAL-Eimsbüttel, im Rahmen

1einer Besetzung der Kulturbehörde, bei Senatorin Christine Weiss stark gemacht. Die GAL- Forderung: „Die Polizei muß die Gedenkstätte Neuengamme verlassen!“ Auch innerhalb der Polizei sehen einige Beamte darin die Lösung. Ein Einsatzleiter: „Ich weiß

1nicht, was das Ganze soll. Langfristig können wir das kräftemäßig gar nicht durchhalten. Irgendwann, wenn wenig Kräfte vor Ort sind, nutzt Kawczynski die Chance und besetzt mit seinen Roma die Gedenkstätte dann doch.“ Kai Von Appen/Peter Müller

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