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Italiens Sozialisten vor dem Untergang

Parteisekretär und -präsident Benvenuto und zahlreiche andere Führungskräfte zurückgetreten / Die Partei ist pleite, hochverschuldet und ohne das nötige neue politische Programm  ■ Aus Rom Werner Raith

Nur drei Monate nach seiner Wahl zum Nachfolger des über gigantische Schmiergeldskandale gestürzten langjährigen Sozialistenchefs Bettino Craxi ist Giorgio Benvenuto am Donnerstag vom Amt des Parteisekretärs der Sozialistischen Partei (PSI) zurückgetreten. Geplant war die Aktion als demonstrativer Akt. Doch nun hat die Rücktrittsankündigung eine Lawine von Amtsniederlegungen und Austritten aus der PSI ausgelöst, die bis hin zum Präsidenten der Partei, Gino Giugni reichen: „Die Partei bricht in Stücke“, wie La Repubblica feststellt.

Für Benvenuto, 56, der aus der Gewerkschaftsbewegung kommt und dem man eine Rückkehr zu den Ursprüngen des Sozialismus zugetraut hatte, „haben die drei Monate genügt, um die Nichtreformierbarkeit dieser Partei erkennen zu lassen“. Tatsächlich dominieren in Spitzenposten – etwa dem Fraktionsvorsitz – noch immer die Seilschaften der siebzehnjährigen Herrschaft Bettino Craxis und unterlaufen nahezu alle Ansätze zu einer Säuberung der Politik vom alten Kungelgehabe. Zu einer Formulierung neuer Programmpunkte ist es gar nicht erst gekommen. Dabei hatte Benvenuto zunächst eigentlich mehr mit einem Kampf des besonders reformfreudigen linken Flügels seiner Partei um den bei der Sekretärswahl gegen ihn unterlegenen Valdo Spini gerechnet – doch dessen Mitglieder sind zum Teil bereits aus der Partei ausgetreten und hängen entweder der Querbeet- Allianz „Popolari per la riforma“ des DC-Dissidenten Mario Segni oder dem von Marco Pannella geführten „Radikalen-Bündnis zur Staatsreform“ an. So hatte Benvenuto nach eigenen Aussagen „mehr mit den Gestpenstern der Vergangenheit zu kämpfen“.

Außer den politischen gibt es auch handfeste materielle Gründe für die Flucht: Die Partei hat derart hohe Schuldenberge, daß es Jahrzehnte dauern würde, sie mit Mitgliedsbeiträgen wieder abzutragen. Seit die Schmiergeldaffären tagtäglich neue Anklagen bringen, ist der Geldzufluß für die einst mit Abstand reichste Partei Europas völlig versiegt, die meisten Sektions- und Provinzbüros mußten schließen, alle Immobilien wurden verkauft, in den meisten Gliederungen gibt es nicht einmal mehr Telefon und Elektroanschluß. Benvenuto aber weigert sich, „als bloßer Konkurs- oder Nachlaßverwalter in die Geschichte einzugehen“.

So versucht derzeit die Basis, sich neu zu organisieren und ohne ihre Großkopfeten wenigstens ein bißchen Sozialismus zu retten. In Venedig wurde ein Kongreß der „PSI-Militanten“ einberufen, der über Neuansätze und/oder die Alternative des Aufgehens in einer Allianz mit einer der aus der alten KP hervorgegangenen Gruppierungen diskutieren soll.

Viel Hoffnung besteht allerdings nicht – auch außerhalb der PSI haben sich die Gewitterwolken über der Linken verdichtet. Seit Anfang der Woche glauben Staatsanwälte den endgültigen Beweis in Händen zu halten, wonach auch die alte KP und sogar noch deren Nachfolgeorganisation PDS fast ebenso eifrig Schmiergelder gesammelt hat wie die Regierungsparteien. Die entsprechenden Erdbeben innerhalb der Linksgruppen sind bereits für die nächsten Tage zu erwarten.

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