: Freispruch für die Täter
■ London: Polizei darf fälschen
Dublin (taz) – Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus, das gilt auch für die britische Justiz, wenn es darum geht, Persilscheine für kriminelle Polizisten auszustellen. In der vergangenen Woche wurden drei Beamte vor dem Londoner Schwurgericht Old Bailey unter Vorsitz des ehemaligen SAS- Kommandanten Macpherson von der Anklage freigesprochen, vor fast 20 Jahren Verhörnotizen gefälscht und Meineide geleistet zu haben, um die Verurteilung der „Guildford Four“ zu ermöglichen.
Dem Gericht ist es gelungen, den Prozeß gegen die drei Polizisten in eine erneute Anklage gegen ihre Opfer zu verdrehen. Die Guildford Four, drei Iren und eine Engländerin, waren 1975 zu lebenslänglicher Haft verurteilt worden, weil sie angeblich Bombenanschläge auf zwei Kneipen in Woolwich und Guildford verübt hatten, bei denen sieben Menschen ums Leben gekommen waren. Die Urteile basierten einzig auf den Geständnissen der Angeklagten. Erst im Oktober 1989 sprach der damals höchste britische Richter, Lord Lane, die Guildford Four frei, weil erwiesen war, daß Polizeibeamte in Surrey die Verhörnotizen gefälscht und vor Gericht unter Eid gelogen hatten.
Davon war nun plötzlich keine Rede mehr. „Den unschuldigen Patrick Armstrong gibt es nicht“, sagte Edmund Lawson, der Anwalt der drei Polizisten. „Er ist ein Geschöpf der schlecht Informierten, der falsch Informierten und derjenigen, die nicht informiert werden wollen.“ Die angeklagten Polizisten sagten vor Gericht aus, Armstrong – einer der Guildford Four – habe nach seiner Festnahme „wie ein Kanarienvogel gesungen“ und das Geständnis unterschrieben. Armstrong wurde in dem Prozeß gegen die Beamten jedoch nicht als Zeuge vorgeladen. „Die gesamte Strategie der Verteidigung beruhte darauf, daß Armstrong bei dem Prozeß nicht anwesend war“, sagte sein Anwalt Alistair Logan.
Innenminister Kenneth Clarke sagte nach dem Urteil erleichtert, daß die „ganze unglückliche Episode“ nun ein Ende habe. Die Guildford Four bezeichneten das Urteil am Wochenende dagegen als „Rufmord durch das Gericht“.
Viele Fragen bleiben offen: Wer im Justizapparat hat Gerry Conlons Alibi für die Zeit der Bombenanschläge 15 Jahre lang vertuscht? Warum wurde der Fall nicht neu aufgerollt, als eine IRA- Einheit, die Anfang der achtziger Jahre in England verhaftet wurde, die Anschläge gestand und viele Einzelheiten detailliert beschrieb? Warum wurde die öffentliche Untersuchung des Falls 1992 ohne Erklärung abgebrochen? Und warum durften die Guildford Four bis heute nicht die Akten und Dokumente sehen, die schließlich zu ihrem Freispruch geführt haben? Man kann sich leicht ausrechnen, daß die Antworten ein trübes Licht auf die korrupte englische Justiz werfen würden. So sieht es wohl auch Richter Macpherson, der sagte, „es scheint mir unnötig, noch weiter in die Eingeweide dieses Falls zu starren“. Ralf Sotscheck
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