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SanssouciVorschlag

■ „Macbeth“ im Alleingang Bernd Lafrenz im BKA

Als Kind verkleidet man sich gern und führt die kleine Travestie vornehmlich zum Ergötzen der ganzen Familie vor. Ich erinnere mich noch gut daran: Meine damals schon spargeldünne Kusine und ich standen stundenlang zusammen vor dem Spiegel, grimassierten, bleckten die Zähne und brummten, was das Zeug hielt. Diese „Performance“ nannten wir dann „Stan und Ollie“, hielten uns für ungeheuer komisch und waren in der Tat doch nur albern. Aber der Familie gefiel es.

Einer recht großen Familie gefällt es auch, was Bernd Lafrenz bereits zum wiederholten Mal in Berlin aus Shakespeare zubereitet. Er spielt „Macbeth“ als „schaurige Komödie“, als Ein-Personen-Stück mit fliegendem Wechsel von Rolle zu Rolle, als Stück im Stück. Denn der große Meister, William Shakespeare himself bildet die Rahmenhandlung. Er schreibt sein Stück und durchlebt es währenddessen, unter den gierigen Blicken seiner Mutter und seines Leib- und Magenschauspielers. Diese Rahmenhandlung bricht des öfteren in die Ränke des Feldherren Macbeth ein, sei es, weil Shakespeare selbst von Banquos Geist gemartert wird und nur Muttern helfen kann, oder weil er einer Rolle mehr Gewicht geben will. Ansonsten sehen wir tatsächlich „Macbeth“, oder was davon noch übrig geblieben ist.

Selten – und das ist auch gut so – sieht man einen Schauspieler so häufig imaginär über die Bühne galoppieren, mit vorgestreckten Armen, Zungeschnalzen und pferderhythmischen Beinbewegungen. Das Pferd mit Doppelkinn ist König Duncan, ein anderes Falstaff, ein weiteres die Titelfigur. Der Shakespeare- Text dient ausschließlich als Folie für diesen albernen Theatergalopp. Die Figuren glänzen durch ihre Beliebigkeit. Da wird so manches Auge gerollt, der Bauch vorgeschoben oder mit anderer Stimmlage gesprochen, um deutlich zu machen, um wen es sich jetzt gerade handelt. Die Lady Macbeth des Bernd Lafrenz könnte jede beliebige Frau sein, die man hemmungslos und voller Klischees karikiert. Lafrenz läßt sie eitel Fingernägel bemalen, dumme Witzchen reißen und affektiert herumlaufen wie „Charlys Tante“. Keine der Figuren kann sich wirklich entwickeln, geschweige denn, daß sich das Stück irgendwie entwickelte. Von Anfang bis Ende: Hauptsache, jeder Unsinn wird untermalt und ausgespielt, der Rest ist völlig egal.

Aber was ist komisch daran, wenn Macbeth einen Brief an seine Lady mit „Hey, Mausi“ beginnt und mit „Dein Mackie“ schließt? Oder die Norweger sich durch den Satz „Stellt Euch vor, es ist Krieg und keiner geht hin“ auf dem Schlachtfeld geschlagen geben? Meine Kusine und ich spielen nicht mehr „Stan und Ollie“, zu privat und kindisch erschien uns die Familienposse. Bernd Lafrenz schließt seinen Abend mit einem selbstverfaßten Epilog: „Tu, was du willst, und bleib du selbst.“ Dagegen ist ja nichts einzuwenden, aber muß das unbedingt auf einer Bühne passieren? Wohl schon, denn der Familie gefällt's. Anja Poschen

Letzte Vorstellung: Heute, 20 Uhr, im BKA, Mehringdamm 32

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