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Wenn junge Hunde alt sein wollen

■ Junge Hunde im Mai auf Kampnagel mit Grace Ellen Barkeys "One" beendet / Hamburgs Nachwuchs blieb brav

auf Kampnagel mit Grace Ellen Barkeys One beendet / Hamburgs Nachwuchs blieb brav

Mit dem Gastspiel von Grace Ellen Barkey, die ihre erste eigene Regiearbeit One vorstellte, ging am Wochenende das Produktionsforum Junge Hunde im Mai zu Ende. Barkeys Theatersprache orientiert sich stark am Vokabular der Needcompany, der sie seit ihrer Gründung angehört. Die perfekte Stilisierung melancholischer Hölzernheit, die scheinbare Nachlässigkeit der Szenen-Collage, die Ausstattung mit wenigen prägnanten Zeichen, die Untertemperierung des Ausdrucks: die Reminiszenzen an Jan Lauwers sind deutlich, stellen sich aber den Eigenheiten Barkeys nicht entgegen.

Sie schwelgt in romantischen Bildern des 19. Jahrhunderts, die sie aus Reiseaufzeichnungen von Flaubert und Goncarov entwickelt. Bordellgeschichten aus arabischen Ländern und sehnsuchtsvolle Liebesergüsse in Briefform ergeben von den Schauspielern rezitiert eine Stimmung depressiver Lüsternheit. Die Schauplätze, das Meer und die Wüste, vergrößern dieses brütende Sehnen auf der Ebene der Bilder ins Unendliche. Martina Ebels Ausstattung, die die Physis der Welle von einem Stuhl über ein Rollbild einer Sinuswelle bis zu den Gipssockeln kleiner Podeste durchdekliniert, setzt diese Schwingung konsequent in Materie um.

Mil Seghers als alternder Libertin und Petra Bolten als herbstliche Bürgerinnenseele, die im Kummer Größe sucht, bewegen die schwarze Galle der Romantik durch das Stück. Eugenio Jimenez, der mit unbekümmerten Harlekinaden und Bel-Canto-Liedern einen Aller- Welts-Liebling spielt, und der La La La Human Steps-Tänzer Claude Godin, als sein latent eifersüchtiger, ältlicher Liebhaber, spielen dazwischen ihre schwule Tragikkomödie. Mit sparsamer aber präziser Choreografie und vielen subtilen Einfällen, die Spuren legen ohne zwanghaft erzählen zu wollen, gelingt Barkey ein sinnliches Tanztheater über das Reisen in einer anderen Zeit, das der eigenen Bildschöpfung Raum und Anreiz bietet.

In der Gegenüberstellung etwa mit dieser Produktion, aber auch mit anderen Gästen des Festivals wie der belgischen Guppe Stan oder dem britischen Tänzer Paul Selwyn Norton (Johnny Panic), offenbarten sich bei den Hamburger „Jungen Hunden“ leider mehr Defizite als Versprechungen auf eine neue Generation von Regisseuren. Beinahe durchgängig zeigte sich eine Bravheit in Form und Inhalt, die offensichtlich nichts damit zu tun hat, daß hier natürlich nur Arbeitsproben gezeigt werden konnten. Denn es wurden weder eigene Themen entwickelt noch in der darstellenden Form Experimente versucht, deren mögliches Scheitern man weit zustimmender aufgenommen hätte, als die besonders an dem Ort Kampnagel völlig deplazierte Mäßigung.

Überhaupt schien der Magnetismus des Staats- und Stadttheaters in den allermeisten Produktionen übermächtig zu sein. Georg Gess' Vedenskij-Adaption unterlag dieser Faszination ebenso fatal wie Martin Stiefermanns neumeiersches Ballett-Projekt Im Prinzip oder Olga Wildgrubers Prometheus in Fesseln. Dort, wo der Wille zu eigenen Formen ansatzweise zu spüren war, etwa bei der Produkt-Entwertungs- Show Dressing 1-5 der gruppe a.b. oder beim VASH-Tanzprojekt, blieb vieles zu unentschlossen. Diesen beiden erfreulichsten Produktionen der Jungen Hunde wäre eine konstruktive Zusammenarbeit mit einer professionellen Regie/Choreografie sicherlich dienlich.

Ute Rauwald, die sich bei ... von wegen Wildnis! mit ihrer Verarbeitung von Othello, Elfriede Jelinek und einer freien Improvisation in einer Stunde schlicht überhoben hat, wirkte als Regisseurin überfordert, ebenso wie die Gruppe Notausgang, deren Betroffenheitstheater zum Thema Rechtsradikalismus kein Klischee uninszeniert ließ. Die heitere Gag-Show von hidden shakespeare kann sicherlich im Spaßmacher-Rahmen bestehen, doch auch hier, wie bei allen anderen Jungen Hunden, fehlte es neben Mut zur Neuerung an einem kritischen Verhältnis zur Jetzt-Zeit und zu einem Theater, das mehr will als unterhalten. Till Briegleb

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