: Italiens „Palazzo“ in Auflösung
■ Regierungsparteien verlieren bei Teilkommunalwahlen
Rom (taz) – Nur noch am Rande kommen Roms Regierungsparteien in den Wahlergebnissen vom vergangenen Sonntag vor: in keiner der acht Großstädte, in denen erstmals der Bürgermeister direkt gewählt wurde, haben Christ- oder Sozialdemokraten, Sozialisten oder Liberale auch nur die in vierzehn Tagen fällige Endausscheidung der beiden Bestplazierten erreicht. Allenfalls in kleineren Provinznestern ist es neu formierten Katholikenzirkeln gelungen, Vertreter der Christdemokraten nach vorne zu hieven, doch auch hier stehen die Chancen bei der Stichwahl schlecht.
Die Kommunalwahl, bei der etwa ein Fünftel des Wahlvolks zu den Urnen gerufen war, stellt den ersten größeren Test seit den im vergangenen Jahr aufgedeckten Korruptionsskandalen dar. Entsprechend fällt die Reaktion des bisher herrschenden Machtkartells, des „Palazzos“, aus. Die Christdemokraten büßten auch bei den Stadtratswahlen ein gutes Viertel ihrer Stimmen ein und liegen nunmehr bei gerade noch zwanzig Prozent, die Sozialisten, einst eine der erfolgreichsten Rathausparteien, ist auf gerade noch vier Prozent geschrumpft, Sozialdemokraten und Liberale, aber auch die schon seit drei Jahren ausgestiegenen ehemaligen Mitregierer der industrienahen Republikanischen Partei sind derart dezimiert, daß sie in den ersten Hochrechnungen nicht einmal mit Punkten hinter dem Komma feststellbar waren. Am Ende landeten sie alle bei einem Prozent.
Die großen Gewinner des ersten Durchganges sind die aus Oberitalien kommenden „Ligen“, die im Norden durchschnittlich 25 Prozent erreicht haben und damit stärkste Partei wurden. In Mailand landeten sie sogar bei über vierzig Prozent. Einen erheblichen Erfolg verzeichnet auch die vom anderen Ende des Stiefels, von Sizilien, ausgehende, mittlerweile aber – im Gegensatz zu den ganz auf Oberitalien beschränkten Ligen – landesweit beachtete Antikorruptionsformation „la Rete“. Hier mischt sich allerdings ein Wermutstropfen in den Jubel: in Mailand, wo alle Meinungsumfragen den „Rete“-Kandidaten Nando Dalla Chiesa weit vorne gesehen hatten, liegt „Liga“-Vertreter Marco Formetini mit gut 38 Prozent weit vor Dalla Chiesa mit 31 Prozent. Das Rennen für den zweiten Durchgang, so machen sich die „Rete“- Freunde Mut, sei noch nicht gelaufen: das Überholmanöver war nur geglückt, weil zwei der insgesamt acht Kandidaten in letzter Minute ihre Wähler zurStimmabgabe für die „Lega“ aufgefordert hatten. Von ihnen kommt also kein zusätzliches Potential mehr für Runde zwei.
Im Fahrwasser der Abwahl bisheriger Regenten hat nun, nach Jahren ständiger Abnahme, auch die ehemalige Kommunistische Partei endlich wieder Erfolgserlebnisse: sowohl die Mehrheitsgruppierung PDS wie die Minderheitsformation „Rifondazione comunista“ haben zumindest gegenüber den Parlamentswahlen von 1992 mehrere Prozente zugelegt – und dies, obwohl eine Reihe der Bestechungsskandale auch ihre Mitglieder betrifft. Das ist ein weiteres Zeichen, daß es den Italienern diesmal vor allem um einen Wechsel geht, gleichgültig wie dieser aussieht: Hauptsache, die alten Gesichter verschwinden. Werner Raith
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