: Sager, Biallas und die Unwägbarkeiten
■ GAL-High-noon: Heute entscheiden die Grünen über ihre Bürgerschaftskandidaten / Eins links, eins rechts, fallenlassen?
: Heute entscheiden die Grünen über ihre Bürgerschaftskandidaten / Eins links, eins rechts, eine fallenlassen?
Die Wetten stehen ... Tja, so genau weiß das immer noch keiner zu sagen. 50 : 50, 70 : 30 oder gar 100 zu 1? Selbst ansonsten recht zuverlässige Auguren widersprechen sich vehement, wenn es darum geht, den Ausgang der für dieses Wochenende angesetzten GAL-Kandidatenaufstellung für die Bürgerschaftswahlen vorherzusagen. Fest steht nur: High-noon ist heute erst um 13 Uhr.
Dann hat sich's ausgekungelt, müssen die großen und kleinen Lager Farbe bekennen. Wer soll die Grünen in jene Wahl führen, von der sich inzwischen (fast) alle GALier den erstmaligen Einzug ins Senatsgehege versprechen: Reala Krista Sager oder Jutta Biallas, die ihren Standort mit „natürlich links“ umschreibt?
Womit wir schon beim ersten Unsicherheitsfaktor wären. Normalerweise, soll heißen, wenn man nach den Mehrheitsverhältnissen in den zurückliegenden Mitgliederversammlungen geht, müßte Jutta Biallas klar vorne liegen. Aber da ist eben dieses „natürlich links“, das auf die politische Vergangenheit Biallas' in der DKP verweist, bei der sie bis 1989 im Bezirksvorstand saß. Selbst einige eindeutig dem linken Spektrum zuzuordnende GALier halten Biallas wegen dieses „Westblockflöten“-Images und ihres nicht gerade ausgeprägten inhaltlichen Profils für ungeeignet, die GAL in den Wahlkampf zu führen. Also doch die besseren Chancen für Krista Sager?
Der Bürgerschaftsabgeordneten wird von der Parteilinken vorgeworfen, die grünen Parlamentarier in ihrer zweijährigen Amtszeit von der Partei abgekoppelt zu haben und über parlamentarischer Kleinarbeit und Taktiererei grüne Grundpositionen vergessen zu haben. Mit Ausnahme der Befürwortung militärischer UNO-Einsätze in Bosnien, wurden diese eher allgemeinen Vorwürfe allerdings bisher nicht konkretisiert. Gelingt dies heute, dürften Krista Sagers Chancen auf eine Mehrheit rapide sinken.
Womit wir beim nächsten großen Unsicherheitsfaktor wären. Wer stellt eigentlich die Mehrheit? Welches der beiden großen Lager konnte mehr Anhänger mobilisieren? Neueintritte gab's reichlich in den Wochen seit dem Neuwahlurteil, allein in Altona gab's ein Plus von zehn Prozent, nicht wenige aufgrund der Eigenwerbung jener GALier, um deren mögliches Bürgerschaftsmandat es heute geht. Und wie verhalten sich die kleineren Lager? Jene Gruppen und Einzelpersonen, die nicht mehr in die bewährten Strickmuster links- rechts, Fundi-Realo, Grüfo-AlteGAL passen und deren Abstimmungsverhalten in der Interventionsfrage nicht unbedingt auf ihr Abstimmungsverhalten in der Kandidatinnenfrage schließen läßt.
Da sind zum Beispiel die „Wahren 68er“, grüne Uni-Jungspunde, denen festgefahrene Auseinandersetzungen in Ehren ergrauter Dogmatiker reichlich auf den Senkel gehen. Da sind die Neulinge aus der gerade integrierten Hamburg-Abteilung des Bündnis 90, die von der Vergangenheit Jutta Biallas' nicht gerade begeistert sind. Oder die „Zwischen-allen-Stühlen“-Fraktion, die inzwischen auch ganz gerne im Parlament mitmischen möchte. Sie dürfte eher gegen Krista Sager stimmen.
Um die Verwirrung komplett zu machen, gibt es seit dieser Woche noch einen weiteren Unsicherheitsfaktor. Und der heißt Anna Bruns, ebenfalls eine Parteilinke, allerdings eine wesentlich profiliertere als Jutta Biallas. Sollte sie sich heute doch noch zur Kandidatur für den ersten Listenplatz entscheiden, dürfen die grünen Karten gänzlich neu gemischt werden. Fragen? Montag taz lesen.
Da wird dann auch abgedruckt sein, wer sich wohl außer der Spitzenkandidatin auf einen Bürgerschaftssessel freuen darf. Und wer aus der jetzigen Fraktion selbigen räumen muß. Auch zu diesen Fragen werden noch Wetten angenommen. Uli Exner
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