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Kirchentag gegen Gewalt und Rassismus

100.000 Menschen beim Abschlußgottesdienst / Dalai Lama als Publikumsmagnet / Würstchen und Frikadellen erbosten Tierschützer / Resolution für doppelte Staatsbürgerschaft  ■ Aus München Heide Platen

Kühl und grau war der Himmel gestern Morgen zum großen Abschlußgottesdienst des 25. Deutschen Evangelischen Kirchentages im Münchner Olympiastadion. Trotzdem waren 100.000 Menschen gekommen. Insgesamt waren an fünf Tagen rund 140.000 BesucherInnen angereist. Eine Abschlußresolution des Kirchentages ist an Bundestagspräsidentin Rita Süßmuth gerichtet. Sie solle sich für die Möglichkeit der doppelten Staatsbürgerschaft in Deutschland einsetzen.

Kirchentagspräsidentin Erika Reihlen wertete die Veranstaltung, die sich anfangs nur sehr verhalten gegen Gewalt und Rassismus gewandt hatte, insgesamt als „große Demonstration für ein friedliches und tolerantes Zusammenleben“. Der Protest habe sich „wie ein roter Faden“ durch die Veranstaltungen gezogen. In ihrer Abschlußpredigt sagte sie: „Trauer und Scham über die Verbechen von Mölln und Solingen dürfen nicht zur Ohnmacht werden.“

Star des Kirchentages war unbetritten der Dalai Lama. Das kahlköpfige, religiöse Oberhaupt der Tibeter mit dem freundlich- schlitzohrigen Lächeln füllte die Olympiahalle am Freitagmittag mit 11.350 ZuhörerInnen bis auf den letzten Platz. „Seine Heiligkeit“ diskutierte, umgeben von Leibwächtern, mit Carl-Friedrich von Weizsäcker über „Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung“. Sensationelles sagte er nicht. Nach einer kurzen, unprätentiösen Information über den Buddhismus wandte er sich an diejenigen, die seinen Auftritt im Vorfeld als synkretistisch kritisiert hatten: „Interreligiöse Konflikte sind das Bedauerlichste, was es gibt.“

Das Charisma heutzutage sehr gefragt ist, bewies wieder einmal Eugen Drewermann, dessen verschliffen-suggestive Artikulation scharenweise ältere Damen auf den Marienplatz lockte. „Nehmet das Tier an“, lautete der Aufruf zu dieser Diskussionsrunde. Eine strahlende Teilnehmerin: „Ich komme gar nicht, um zu hören, was er sagt, sondern wie er es sagt!“ Drewermann appellierte an eine „Verantwortungsethik“ des Menschen für die Schöpfung, in der „nicht nur die Arten, die uns nützen“ ihren Schutz finden dürfen. Am Rande ließ er wissen, daß er das auch im Alltag ernst meine und deshalb in Paderborn den Bau eines Tierheimes unterstütze. Diese Art Verantwortungsethik vermißten zwei Tierschützerinnen aus Hamburg mit dem Anstecker „Ich esse kein Fleisch“ am Revers nicht ganz zu unrecht. Die Ernährungslage ließ in der Tat zu wünschen übrig. „Heute will ich aber nicht schon wieder Hotdog, Würstchen oder Frikadellen essen!“, sagte eine Schülerin, und beschrieb damit das Angebot auf dem Kirchentag außerhalb der teuren Restaurant fast umfassend.

Für Aufregung sorgte die als „Schamanin“ umstrittene koreanische Theologieprofessorin Chung Hyun-Kyung. Sie referierte zur provokativen These, ob auch Europa eine „Theologie der Befreiung“ nötig habe. Sie konstatierte eine „anthropologische Armut“, die Minderheiten ausgrenze. Sie wehrte sich außerdem gegen eine „Vereinnahmung“ asiatischer und südamerikanische theologischer Ansätze durch die Europäer: „Sie benutzen unsere Gedanken und kolonialisieren damit weiter.“ Auch die asiatischen Religionen und Meditationspraktiken verkämen in Europa „zur Ware“. Sie sprach sich gegen Gewalt und für einen „Gesinnungswandel“ aus, beantwortete aber die Frage, was mit Männern geschehen solle, die das nicht mittragen wollten, verdrossen: „Laßt sie zugrunde gehen!“

Am Rande des Kirchentages versackten die in die KZ-Gedenkstätte Dachau geflüchteten 160 jugoslawischen und rumänischen Roma fast in Regen und Schlamm. In der Resolution 2501 solidarisierten sich die Teilnehmer am „Forum Fremdland Deutschland“ mit der Aktion „Fluchtburg“ und forderten „ein sofortiges Bleiberecht“. Im Dachauer Appell waren Gemeinden und Christen aufgefordert, den Roma Kirchenasyl zu gewähren und sie notfalls zu verstecken.

Auch Flüchtlinge aus Bosnien wählten Dachau als Ort ihrer Mahnwache. Sie warfen dem Kirchentag vor, er habe die Vernichtung der Muslime „ausgegrenzt“. Humanitäre Hilfe allein genüge nicht: „Denn so werden die Leute eben satt umgebracht.“ Die Geschichtsprofessorin Falida Memisevic sagte, sie sei eigentlich Pazifistin, aber: „Wenn wir nicht Waffen bekommen, wird es uns nicht mehr geben.“ Zu einer Meditation über die „Schuld der Kirchen im Balkankonflikt“ waren nur 50 Menschen gekommen. 0 Kirchentagsbesucher erklärten sich bereit, Flüchtlinge aufzunehmen.

Das „Forum Afrika“ verabschiedete 14 Forderungen an den Norden – gegen aggressive Agrarexporte, einseitige Berichterstattung, Abholzung der Regenwälder, für Schutzzonen für Hungernde, Beobachterkommissionen und Schuldenstreichung. Gegen den Kolonialismus im eigenen Land wandten sich zahlreiche VertreterInnen der ehemaligen DDR. Die nächsten Kirchentage finden in 1995 in Hamburg und 1997 in Leipzig statt.

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