■ Eine kleine Geschichte der Postleitzahl: Die braune Eselsbrücke
Mit vielen großen braunen Flecken startete die Bundesrepublik 1949, und darunter gab es einen kleinen, der bestand aus zwei Ziffern und einem Buchstaben: die Postleitzahl. Die Zahl, die Postler damals tatsächlich einen „Schandfleck“ nannten und am liebsten schnell loswerden wollten, hatte die Nazi-Post 1943 eingeführt. Der Grund: Im Krieg war in der „Postgeographie“ geschultes Fachpersonal rar geworden.
Nun, im neuen Staat, wollten die Postler zeigen, daß sie wieder wer waren, und die „Eselsbrücke“ der Nazis abschaffen, um „den guten Ruf der deutschen Post wiederherzustellen“. Doch das klappte nicht. Die teuren, bis zu sechsmonatigen Schulungen für das Personal sprachen dagegen und auch der zu erwartende Fortschritt mit vollautomatischen Verteilungsanlagen, der ohne Nummern nicht funktionieren würde. Praktisch war auch, daß sowieso noch 50 bis 60 Prozent der Briefschreiber die Leitzahl brav auf den Kuverts notierten. Mitte des Jahres 1950 war die Abschaffung vom Tisch, auch wenn sie ab und zu noch mal angekündigt wurde.
1961 kam die demokratische Postleitzahl, vierstellig und nur im Westen. Heftig war das Lamento: Der Einzelhandel wollte seine Adreßmaschinen nicht umrüsten, Lokalpatrioten beklagten den Identitätsverlust (ein Kolumnist warnte davor, daß der Kölner Dom vielleicht bald nur noch in „4711“ stehen werde). Schließlich aber hatte das Volk ein Einsehen: brachte doch die neue Leitzahl das bundesrepublikanische Zustellerwesen an die Weltspitze. Ein Land nach dem anderen machte das neuartige System „Brief mit Autonummern“ (Die Welt) nach – 1963 sogar der große Bruder USA. Fleißig ließ Bundespostminister Richard Stücklen Vergißmeinnicht- Sträuße aus Plastik unter die noch zögernden Postkunden bringen, so daß schon ein Dreivierteljahr nach der Einführung die Oberpostdirektion Hannover eine Erfolgsquote von 76,4 Prozent melden konnte.
1964 war's mit dem Spaß vorbei. Die Bundespost drohte ein Strafporto für PLZ-Verweigerer an und – noch schlimmer: „Pankow“ oder die „Sowjetzone“, wie das damals politisch korrekt hieß, führte ein souveränes und noch präziseres Leitzahlensystem ein. Es kam zu äußerst unpraktischen Dopplungen (5300 = Weimar = Bonn). Etwa die Hälfte der DDR-Städte hatte „West“-Nummern. Ein Kalter Krieg um die PLZ begann. Die „Bonner Ultras“ verwiesen revanchistisch darauf, daß man doch extra die Eins und die Neun für den Osten aufgespart habe. Die DDR beharrte auf ihrer Existenz: keine Anerkennung, kein Zahlenkompromiß. Trotz geschaffener Tatsachen ging die „kleine Politik mit Postleitzahlen“ (Neue Zürcher Zeitung) weiter.
Während der Westen bei seinen Sendungen in den Osten ein „X“ als Quasi-Negation vor die Leitzahl malte, wünschte sich der Osten ein „DDR“ vor der Zahlenkombination. Erst das Postabkommen von 1976 zwischen beiden Staaten eleminierte das „X“.
Eine kleine geistig-postalische Kehrtwende zelebrierte Bundespostminister Schwarz-Schilling 1984. Er erlaubte den Postkunden, zusätzlich zu den „Zustellpostamtsnummern“ die alten Ortsteilnamen wieder auf dem Umschlag zu vermerken. Gleichzeitig kündigte der Minister wolkig neue sechsstellige Leitzahlen an.
Daraus wurde nichts mehr. 1990 setzte die DDR in den Einheitsverhandlungen durch, daß sie ihr präziseres 4er-System nicht zugunsten des veralteten BRD-Systems aufgeben mußte. Kein Anschluß unter diesen Nummern – was uns die neuen fünfstelligen Postleitzahlen bescherte, die ab heute gelten. Hans-H. Kotte (12049)
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