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In der Warteschleife

■ Flughafenanwohner klagen gegen Lärm und Ortsumgehung Fuhlsbüttel   Von Sven-Michael Veit

Das vorläufige Urteil lautet kurz und bündig: Warteschleife. Ein endgültiges Urteil des Landgerichts Hamburg wird noch Jahre auf sich warten lassen, eine harte Geduldsprobe für die Kläger.

Das Ehepaar Kray aus Langenhorn verklagt die Flughafen Hamburg GmbH. Ihr Grundstück liegt unmittelbar neben der Startbahn 23, der Lärm, sagen sie, ist unerträglich. Das Ehepaar Kray verklagt die Hamburger Baubehörde. Die läßt vor ihrer Haustür die Ortsumgehung Fuhlsbüttel bauen. Der zu erwartende Verkehrslärm, sagen sie, ist für ihre Nerven zuviel.

Das Ehepaar Kray verlangt von der Stadt Hamburg die Übernahme von Haus und Grundstück. Zum Verkehrswert, rund 320.000 Mark. Denn Haus und Hof sind unverkäuflich, Hamburgs Makler schätzen den Verkaufswert auf dem freien Markt auf null Mark. Aber die Krays wollen weg.

Aufs Land, wo sie nicht die Fenstergriffe mit Klebeband sichern müssen, weil die Vibrationen durch startende Jets sie sonst aufrütteln. Wo sie wieder Wäsche im Garten trocknen können, ohne daß sie nach Kerosin stinkt. Wo sie Freunde zu Besuch haben können, die jetzt wegen des Lärms seit Jahren nicht mehr kommen. Wo sie sich wieder selbst um ihre 25jährige geistig behinderte Tochter kümmern können, die den Lärm zu Hause nicht ertragen konnte. Seit fünf Jahren lebt sie in einer Behinderten-WG und spricht nicht mehr mit ihren Eltern. Sie glaubt, die wollen sie nicht mehr haben.

Das Haus der Krays in der Straße Rüümk 14 ist das einzige, das noch steht. Die ehemaligen Nachbarn sind fortgezogen. Ihre Häuser wurden 1986 von der Stadt aufgekauft, weil die Grundstücke für die Startbahnverlängerung auf dem Flughafen oder für die geplante Ortsumgehung Fuhlsbüttel benötigt wurden. Das Grundstück der Krays liegt 11 Meter von der Trasse entfernt und wird deshalb vom Straßenbau nicht tangiert, sagt die Baubehörde.

Die Richter wiegen die Köpfe. Gegen eventuellen Verkehrslärm einer Straße, die noch nicht fertiggebaut ist, sei schlecht klagen. Ob man das nicht abtrennen könne von der Sache mit den Flugzeugen? Das würde schneller gehen. Der Anwalt des Ehepaars Kray wiegt den Kopf. Er will das erwägen.

Die neuen „Flüsterjets“, sagt die Flughafen GmbH, verursachen keinen unzumutbaren Lärm. Der Mittelwert von 60 Dezibel, der im Hause gemessen wurde, ist hinnehmbar. Das Ehepaar hat auf eigene Kosten messen lassen. 98 Dezibel als Spitzenwert, lautet das Resultat. So laut wie ein Dutzend LKW.

Da ist eventuell ein Gutachten nötig, geben die Richter am Landgericht zu bedenken. Die Meßmethoden müssen von Experten untersucht werden. Ebenso die Frage, ob Langzeitmittelpegel, Tagesmittelpegel oder Stundenspitzenpegel Grundlage der juristischen Bewertung sind. Ersteres, sagt der Anwalt der Flughafen GmbH. Letzteres, sagt der Anwalt des Ehepaars Kray. Der Bundesgerichtshof, sagt er, hat jüngst so entschieden. Ob das Gericht dieses Urteil nicht kenne?

Es wird beschlossen, daß die Klageschrift überarbeitet wird. Die Anwälte beider Seiten bitten um Fristverlängerung, wg. Ferien. Stattgegeben. Die Krays gehen wieder nach Hause. Bis zum nächsten Gerichtstermin werden Monate vergehen. Über ihrem Haus starten seit gestern noch mehr Jets als sonst, wg. Ferien.

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