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Militärische Ehren in der Kirche

■ Viel Prominenz bei Trauerfeier für erschossenen GSG-9-Beamten / Letzter Gruß mit Schnellfeuergewehren    Von Kai von Appen und Torsten Schubert

Mit militärischen Ehren ist gestern der GSG-9-Beamte Michael N. auf dem Friedhof in Nienstedten beigesetzt worden. Der 25jährige Kriminalkommissar der Anti-Terror-Einheit war am vergangenen Sonntag bei der umstrittenen Festnahme der mutmaßlichen RAFler Wolfgang Grams und Birgit Hogefeld in Bad Kleinen erschossen worden.

Zahlreiche Kränze von Spezialeinheiten der Polizei zierten gestern mittag den Vorplatz der kleinen Backsteinkirche. „Wir trauern um einen Kameraden - SEK Thüringen“ und „In stiller Trauer - Kameraden der 1. und 4. GSG 9“, war auf den Schleifen zu lesen. Unzählige Kollegen aus SEKs, MEKs und der GSG, zum Teil in Kampfmontur und durch auffällige Sonnenbrillen getarnt, erwiesen ihrem Kameraden die letzte Ehre. Auch Bundesinnenminister Rudolf Seiters und Bundesanwalt Alexander von Stahl waren zur Trauerzeremonie nach Hamburg gekommen.

„Michael N. verlor sein Leben durch unmenschliche, verblendete Gewalt“, sagte Rudolf Seiters in seiner Trauerrede. Und an die Eltern gewandt: „Ihr Sohn hat einen großen Beitrag zur Bewahrung der inneren Sicherheit und Ordnung geleistet.“ Der junge GSGler hatte erst im Januar dieses Jahres seine Ausbildung beendet. 1986 war Neffzeller in den Polizeidienst eingetreten. 1991 wurde er in den gehobenen Dienst befördert undmeldete sich im Mai 1992 freiwillig zur Anti-Terror-Einheitt. Sein Vorbild waren die „Helden von Mogadischu“. Für seinen tödlichen Einsatz, so Seiters, habe N. sogar auf einen Urlaub mit seinem Bruder verzichtet. Ein Privatleben, Frau oder Freundin, kannte der Spezialpolizist ohnehin nicht.

Entsprechend hob auch GSG 9-Chef Jürgen Bischoff die Tatkraft von Michael N. heraus. „Er war ein geborener Führer, er ging immer als erster voran.“ Die Ehrenwache stand unbeweglich neben dem mit der Deutschlandfahne bedeckten Sarg. Nur einige Sicherheitsbeamte gingen nervös auf der Galerie hin und her und bewachten die Trauergemeinde mit mißtrauischen Blicken während des gesamten Gottesdienstes. Bischoff: „Wir vermissen einen Kameraden, einen Teil von uns, mit dem wir zu einer Familie verwachsen waren.“

Vom Einsatz selbst kein Wort. Der Oberpfarrer des BGS, Josua von Gottberg, rechtfertigte sogar die Rolle der Polizei. „Ein Staat kann nicht ganz auf Gewalt verzichten, um gegen das brutale Böse gewappnet zu sein.“ Immerhin gedachte er als einziger auch Wolfgang Grams. Angeführt von einem Ehrenbatallion des Bundesgrenzzschutzes verließen die Trauergäste hinter dem Sarg die Kirche in Richtung Friedhof. Die Jacken vieler Zivilbeamter beulten sich von den mitgeführten Schußwaffen. Als der Sarg unter militärischen Klängen ins Grab versenkt wurde, präsentierte das Ehrenbataillon zum Gruß die Schnellfeuergewehre.

Der unter heftigen Beschuß geratene Bundesanwalt von Stahl ließ sich von hinter jedem Busch postierten Bodyguards abschirmen, um den wartenden Journalisten nicht Rede und Antwort stehen zu müssen. Denn es scheinen sich die Angaben einer Augenzeugin zu bestätigen, wonach der bereits niedergestreckte Grams von einem GSG 9-Beamten gezielt in den Kopf geschossen wurde. Fest steht zumindest, so die Schweriner Staatsanwaltschaft gestern, daß die Todesursache tatsächlich ein Kopfschuß aus nächster Nähe gewesen ist.

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