Wand & Boden: Richtige Frauen sind sitzende Frauen
■ Kunst in Berlin jetzt: Richtige Männer und ebenso richtige Frauen, Sitzende, alle außer Atem
Was „richtige Männer“ sind, läßt sich dem Zentralorgan der Lord Jim Loge, Heft 9/93, und der darin enthaltenen „Kleinen philosophischen Betrachtung“ von Jörg Schlick entnehmen: Richtige Männer tun sich mit der Sprache sowie dem Argumentieren schwer. Richtige Männer sind in ihrem Vorstellungsvermögen hinsichtlich allerlei sexueller Praktiken von heiliger Einfalt. Kurz, richtige Männer sind richtig mühselig, langweilig und vor allem ungeheuer prätentiös. Denn bei richtigen Männern heißt Filosofie, daß sie ihre Kumpane, soll heißen Meisterdenker, zitieren können – Nietzsche und Schopenhauer, wer sonst. Richtige Männer finden sich in Männerbünden, denn nur gemeinsam sind sie starke Logotypen. „Sonne Busen Hammer“ heißt dasjenige der Lord-Jim-Logenbrüder, zu denen u. a. auch Martin Kippenberger und Günther Förg zählen. Der Blödiane Fantasie in Klartext: „Da hau' ich dir die Titten platt“. „Richtige Frauen“ dagegen gibt es heutzutage gar nicht mehr. Denn was als „highheeled titt wig“ (Stöckelschuhe Titte Perücke) auftritt, auf den Hochglanztiteln der Modemagazine, dem Laufsteg berühmter Modemacher, aber auch dem Straßenstrich der Metropolen sind schlicht und ergreifend und zunehmend – Männer. Richtige Frauen finden das gut, daß die Männer diese Sache mit ihren Fantasien über Frauen undsoweiter endlich unter sich ausmachen. Es scheint also fraglich, ob die Notwendigkeit einer Antwort auf die Logenbrüder überhaupt bestand. Aber da Berlin nicht unbedingt auf dem laufenden ist und die Frauen hier in der Kunst nach wie vor wenig zu sagen haben, es sei denn, sie hängen sich an die Vorgaben der Männer an, wurde das Hiphop-Ghettomuster des „talk back“ angewandt.
„The real Roxanne“ heißt Cosima von Bonin und verpaßte der neugegründeten „Queen Barbie Loge“ ein nämlich bescheuertes Logo: „Mond tritt Schwanz“. Das ziert nun als Tapetenmuster eine Wand des Boudoir. Und das ist dann auch schon alles an böser, sadistischer Frauenfantasie, was die Schwester zu bieten hat. Gut, es gibt noch sechs große identische Fotografien der blumenbekränzten und Schmetterling- geschmückten Lena Braun. Und darüber plazierte Polaroids, auf denen den fröhlichen Sexheroen Cicciolina und Jeff Koons nachgeeifert wird. Und einen klappbaren Papp-Penis. Das Copyright für das Zentralorgan der Queen Barbie Loge Heft 1/93 liegt übrigens beim Pappkameraden Schlick.
Bis 31. Juli, Brunnenstraße 192, Wedding, Di-Fr 14-19 Uhr, Bar Fr und Sa 22-3 Uhr
Richtige Freundinnen kommen zum Kaffee vorbei, verknäulen ihre Beine in den Stuhlbeinen, sind müde oder aufgebracht oder spröde, wollen reden, wollen schweigen. So thronen sie auf ihrem Stuhl und werden zu einer Sitzenden von Beate M. Kicherer. Richtige Frauen sind sitzende Frauen, so zeigen es jedenfalls Kicherers Arbeiten auf Papier in der Galerie Helikon. Aus dem Knochenleim mit Pigmenten ausgewaschen, tauchen die Figuren wie die „Sitzende“ (1990) dennoch paradox deutlich aus der Farbfläche des Bildes auf. Sie strahlen, obgleich die Gestalt im Fall der Sitzenden aus den dunklen bis schwarzen Farbtönen ersteht. Vielleicht – weil sie bodenlos ausfranst –, schwebt sie fast und ist eine anziehende und gar nicht bedrückende Melancholie. „Joan“ (1993) wird ebenfalls in der formalen Zeichnung und Strukturierung der Bildfläche aufgefangen. Energisch aufragende, senkrechte Stiche mit bunter Ölkreide stützen die Figur ebenso wie der fragile, nur leichthin skizzierte Stuhl. Joan ist ein Engel, das machen die Flügel, die ihr als ein Dreiklang ins Blaue hinein an den Leib gefügt wurden. Natürlich hat ein Engel nur zwei Flügel, und das ist auch hier so. Da aber Frauen anders sind, darf ein großer, mit kräftigen roten Strichen übermalter Flügel am Hintern sitzen; ein kleiner, nur mit einem Schatten Rot versehen, entwächst ganz traditionell der Schulter, und der dritte ist der Hut auf dem geneigten Kopf. Ein Halbakt konturiert sich in einer bräunlich-rosa schattierten, verwaschenen, doch durch die Pigmentfarbe sichtlich strukturierten Flächigkeit. Das ist der Gestus der Künstlerin, die Aufbauen und Zerstören zum Momentum ihrer Arbeit erklärt und die ursprünglich, aber nicht überraschend, Stadtplanerin ist.
Bis 31. Juli, Klausener Platz 5, Charlottenburg, Mi-Fr 15-18 Uhr, Sa 11-14 Uhr.
Billiges, böses PVC transportiert Luft, glänzt silbern, saugt sich ein, bläht sich, raschelt; windbewegt windet sich der viereckige Schleierschlauch durch den Raum, verbindet Fenster mit Fenster. Leicht ist das Gebilde, das bei Gebauer und Günther den Galerieraum in heiterer Monumentalität beherrscht. Ein weiteres Fenster ist mit einem kürzeren Luftbeutel verhängt. Schlapp liegt er da, bauscht sich nur hin und wieder geringfügig auf. An der Wand gegenüber prangt eine Art Überlebensset aus durchsichtigem Plastik. Ein transparenter Rucksack, gefüllt mit roten Luftkissenobjekten, eine Evian-Flasche, ein roter Plastikstab im durchscheinenden farblosen Futteral und ein Plastikkissen. Man meint die Dinge schon im Kaufhaus gesehen zu haben, allein ihre mangelnde Verwendbarkeit macht deutlich, daß sie eigens fabriziert wurden.
Die raumgreifende Installation von Hans Hemmert hat den Titel „meta res sua“. Soll das mit „über der eigenen Sache“ übersetzt, oder schlicht rückwärts gelesen werden: „ausser atem“? Ein merkwürdig stechender Geruch erfüllt den Raum, er nimmt einem nicht den Atem, aber alarmiert, noch mal zu schauen. Kann man Geruch sehen? Kleine Papierkügelchen sind über dem Boden verstreut, und tatsächlich sind sie die Geruchsquelle, mit Eisenkrauttinktur getränkt, wie der Galerist erklärt. „ausser atem“ bringt Paradoxes ins Spiel, läßt das Draußen nach Innen, und baut zugleich im Rauminneren einen weiteren Innenraum, macht also die Galerie zum Draußen. Paradoxien lassen sich auflösen, so die gängige logische Regel, indem man neue Unterscheidungen einführt, über die Hierarchisierung mit Hilfe von Raum- und Verräumlichungsdimensionen. Das, so möchte man angesichts Hemmerts Installation meinen, ist nicht völlig korrekt.
Bis 24. Juli, Pfuelstraße 5, Mi-Sa 13-19 Uhr
Auf der kleinen Einladungskarte machte die „Foto Objekt Installation Action-painting mit Licht – Dromologische Photographien“ von Volker Czerner neugierig. Beim Eintreten in die Fotogalerie, Kommunale Galerie Friedrichshain, wirken die kleinformatigen „gestischen“ Fotografien im ersten Raum noch immer. Aber in große Formate gebracht, verlieren die Architektur- und Stadtlandschaftsfotografien jegliches Raffinement und erscheinen als platter Trick. Aufgezogen auf Leuchtkästen, aufgespannt auf Wippen oder Mobiles gar, handelt es sich um Kunsthandwerk. Die Frage, die einen etwa bei Jackson Pollock immer wieder beunruhigt, nämlich warum ein Bild gerade dort aufhört, wo es der Maler hat aufhören lassen – hier ist sie einfach zu beantworten: weil das simple Spiel mit der absichtsvoll bewegten Kamera nur auf kleinstem Format interessante grafische Effekte von lichter Transparenz und dichter Schwärze, exaktem Detail und verwischter Flächigkeit gewinnt.
Bis 24. Juli, Helsingforser Platz 1, Di-Fr 11-18, Sa 14-18 Uhr. Brigitte Werneburg
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