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Massen- oder Ökotourismus?

■ Costa Rica – ein Reisetrend wird vermarktet. Alternativunternehmer zieht sich den Zorn der Branche zu

Der boomende Fremdenverkehr beschert Costa Rica nicht nur reiche Deviseneinnahmen. Das mittelamerikanische Land steht gegenwärtig am Scheideweg zwischen Massentourismus und umweltverträglichem Ökotourismus.

241 Hotels mit 8.549 Zimmern gibt es gegenwärtig in Costa Rica, das ist mehr als doppelt soviel wie 1988. Die Besucherzahl ist nach den Statistiken des costaricanischen Fremdenverkehrsinstituts zwischen 1988 und 1992 von 329.000 auf 610.000 gestiegen.

Nach im April veröffentlichten Zentralbank-Schätzungen wird das Wachstum der Tourismuseinnahmen in zwei bis drei Jahren mit den Bananenexporten, Costa Ricas Devisenbringer Nummer eins, gleichziehen. 1992 lag die Branche mit Deviseneinnahmen von 431 Millionen US-Dollar nicht weit hinter der beliebten Südfrucht (482 Millionen Dollar) und deutlich vor den Kaffee-Exporten (203 Millionen).

Für Tourismusminister Luis Manuel Chacon ist der Gästeboom der Rettungsanker der costaricanischen Wirtschaft und Grundlage der Entwicklung des Landes.

Michael Kaye, Alternativunternehmer aus New York und Wortführer in Sachen eines umweltverträglichen Ökotourismus, fürchtet um die natürlichen Reichtümer des Landes, sollte es den Weg des Massentourismus beschreiten.

„Costa Rica ist derzeit das attraktivste Zielland für Ökotouristen aus aller Welt. Nirgendwo sonst findet man eine derartige Vielfalt an Naturräumen und so reichhaltige Möglichkeiten für den Gast. Doch all das wird zu einem gewaltigen ökologischen Friedhof verkommen, wenn es zu einem touristischen Massenansturm kommt“, entwirft Kaye eine düstere Zukunftsvision.

Die im Land tätigen großen internationalen Hotelketten und die nationalen Fremdenverkehrsbehörden sparen nicht mit Kritik. Dem Gründer und Eigentümer des Unternehmens „Costa Rica- Expeditionen“ werfen sie „eigennützige Beweggründe“ vor. Den Zorn seiner Branchenkollegen hat sich Kaye durch ein Rundschreiben an 45 Reiseveranstalter in seiner Heimat USA zugezogen, in dem er vor den Folgen der touristischen Invasion warnt und dazu aufruft, die costaricanische Regierung durch Druck zur Eindämmung der Gästeflut zu bewegen.

Jetzt fühlt sich der Alternativunternehmer zu Unrecht angeklagt und beabsichtigt, gerichtlich gegen die Vorwürfe vorzugehen. Außerdem will er seinen Standpunkt in einer öffentlichen Kampagne gegen die großen Hotelunternehmer klarstellen.

Mehrere internationale Gruppen tätigen derzeit millionenschwere Investitionen an den Stränden von Costa Rica: Die mexikanische Gruppe Situr errichtet am Golf von Papagallo einen Tourismuskomplex. Die spanische Melia-Gruppe stellt eine ähnliche Anlage an den Flamingo-Strand.

Im ebenfalls an der Pazifikküste gelegenen Montezuma hat die spanische Barcelo-Gruppe vergangenen November das 400-Betten- Hotel Playa Tambor fertiggestellt, das derzeit eines der Hauptangriffsziele der Kritiker des Massentourismus ist.

Erstmals in die Schlagzeilen der costaricanischen Presse geraten war das Hotel, nachdem lokale Umweltschützer dem Unternehmen vorgeworfen hatten, Sand für den hoteleigenen Strand von einem benachbarten Küstenabschnitt entnommen zu haben.

Das sei längst nicht alles, betont Leon Gonzalez von der Umwelt- und Naturschutzvereinigung Montezuma. Es gebe Pläne zur Erweiterung der Anlage um einen Jachthafen für 500 Boote. Lokale Verbindungswege seien gesperrt und Mangrovenwälder planiert worden. Außerdem sollten die Hotelabwässer ins Meer geleitet werden.

Kaye, den es vor 15 Jahren auf der Suche nach Wildwasserflüssen für seinen Lieblingssport Rafting in das mittelamerikanische Land verschlagen hatte, fordert eine nationale und internationale Debatte über die Grenzen der Belastbarkeit der Natur durch den wachsenden Tourismus.

Noch besteht die Möglichkeit, Fehlentwicklungen zu korrigieren, betont Kaye. Wenn jetzt die falschen Entscheidungen getroffen werden, könne es aber zu spät sein, warnt der Unternehmer. ips

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