: Voscheraus Karriereknick
■ Hamburgs Bürgermeister muß hierbleiben: Kein Platz für Voscherau in Scharpings Regierungsteam Von Florian Marten und Sannah Koch
Er fühlt sich zu Höherem berufen, aber das scheint ihn partout nicht rufen zu wollen. Henning Voscherau, Hamburgs Bürgermeister ohne Club-Card für den Verein der „Brandt-Enkel“, muß sich wohl auch in Zukunft mit dem Blick die Alster bescheiden. Entgegen aller Gerüchte und Meldungen, die Voscherau gestern zum Bundesminister im Schattenkabinett von Kanzlerkandidat Rudolf Scharping kürten, erhob dieser gestern nachmittag zwar Amtsvorgänger Ulrich Klose, jedoch nicht Voscherau in seine „Kernmannschaft“ für die Bundestagswahl im Oktober 1994. (siehe überregionaler Teil).
„Henning Voscherau steht hier zur Wahl und that's it“, ließ Senatssprecherin Jutta Köhn denn auch unbeirrt verlauten. Die Gründe für die Spekulationen über des Bürgermeisters Karriereplanung? „Er gilt eben auch auf Bundesebene als kompetenter Innenpolitiker“, so die Sprecherin. Doch scheinbar nicht als kompetent genug. Oder liegt es vielmehr daran, daß, wie der Stadtchef der taz neulich vergrämt gestand, er als „Schmidt-Neffe“ bei der „Lafontaine-Scharping-Seilschaft“ sowieso keine Chance hat? Wegen der fehlenden Club Card.
„So jagen wir ihn ohn' ermatten, fort und fort bis zu den Schatten, und lassen ihn auch dort nicht frei“ - CDU-Fraktionschef Rolf Kruses spöttische Botschaft an den Looser. „Scharping wird doch eh nicht Kanzler“, winkten GAL-Spitzenkandidatin Krista Sager und FDP-Fraktionsgeschäftsführer Gerhold Hinrichs ab. Und Erleichterung bei SPD-Parteichef Helmuth Frahm: „Ich hätte keinen Bock gehabt, unseren Spitzenkandidaten mitten im Wahlkampf für ein Bonner Ministeramt nominiert zu sehen.“ Die KollegInnen aus Niedersachsen scheinen damit weniger Probleme zu haben: Denn trotz Wahltermin in 1994 taucht ihr Ministerpräsident Gerhard Schröder in Scharpings Crew auf.
So wird Voscherau das Hamburger Bürgermeisteramt wohl kaum erspart bleiben. Zupaß kommt ihm das jedoch nicht unbedingt: Er hatte sich eine offene Hintertür in Bonn gewünscht, um dem Druck der hiesigen Koalitionsgespräche nicht völlig ausgeliefert zu sein. Denn selbst die SPD-Strategen scheinen sich nun ernsthaft mit einer rot-grünen Regierungsvariante abzufinden. Nicht bei der Hafenstraße, aber in der Verkehrs-, Hafen- und Wirtschaftspolitik lägen für Voscherau dann die Knackpunkte. Seine Sorge: Die Partei könnte ihm Zugeständnisse aufzwingen, zu denen er nicht bereit ist. Mit einem Bonner Amt im Hintergrund hätte er etwas in die Waagschale zu werfen gehabt: „Entweder ich oder rot-grün.“ Mit Scharpings Absage droht jetzt nur ein Karriereknick.
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