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Wer Steuern zahlt, ist bescheuert Von Ralf Sotscheck

Verbrechen lohnt sich nicht: es sei denn, man tut es mit dem Segen der irischen Regierung. Die hat ihresgleichen nämlich noch nie im Stich gelassen. Bereits vor fünf Jahren hat das Regime seinen steuerhinterziehenden ParteifreundInnen ein großzügiges Geschenk gemacht: Wer die Finanzbehörden jener Bananenrepublik bis dahin beschissen hatte, konnte sich durch eine Nachzahlung die Absolution erkaufen. Fragen wurden nicht gestellt. Die Regierung rechnete mit 30 Millionen Pfund (ca. 75 Mio. DM), hatte jedoch die kriminelle Energie ihrer Landsleute maßlos unterschätzt: Innerhalb kürzester Zeit trudelten 500 Millionen Pfund ein.

Täglich trafen braune Papierumschläge ohne Absender ein, die bis zu 20.000 Pfund in bar enthielten. Sinn der Übung: Die Absender hatten jahrelang Steuern hinterzogen – und wollten das auch weiterhin tun. Die Gelegenheit, sich wenigstens bis zum Stichtag eine reine Weste zu verschaffen, war jedoch reizvoll. So sandten sie das Geld anonym ein, notierten aber die Seriennummern, damit sie ihre Unschuld beweisen konnten, falls sie irgendwann geschnappt würden. Das war nicht ungefährlich, weil sie auf die Ehrlichkeit der Steuerbeamten angewiesen waren – allemal besser jedoch als auf die Ehrlichkeit der Regierung.

Weil es damals so gut geklappt hat, will man die Geldquelle erneut anzapfen. Schließlich gibt es noch genügend Gangster, die ihren Profit vorbei an der Steuer ins Ausland geschafft haben. Um dieses Schwarzgeld wieder auf die Grüne Insel zu locken, muß man den Besitzern schon ein paar Sonderkonditionen einräumen. Gesagt, getan: Während Otto Normalverbraucher für sein erbärmliches Mindesteinkommen 31 Prozent und für jedes weitere Pfund sogar 57 Prozent Steuern berappen muß, verspricht man den Steuerhinterziehern eine einheitliche Rate von 15 Prozent. Keine Zinsen, keine Geldbußen – eine Hand wäscht die andere.

Der Verdacht, daß die meisten Nutznießer des staatlich sanktionierten Steuerbetruges im Dunstkreis der Regierung zu finden sind, liegt nahe, läßt sich aber nicht beweisen. Der schleimige Premierminister Albert Reynolds, ein ehemaliger Country- Sänger und heutiger Katzenfutter-Fabrikant, behauptet, die Steueramnestie würde versteckte Milliardenbeträge nach Irland zurückführen. Seine ministeriellen Komplizen erinnerten ihn jedoch daran, daß es auch Steuerhinterzieher gibt, die ihre Profite unter falschem Namen auf irischen Konten lagern. Reynolds reagierte umgehend: Auch sie kommen nach Bezahlung in den Genuß des staatlichen Heiligenscheins.

Wer also Steuern zahlt, der ist bescheuert. Man muß sie nur lange genug hinterziehen, bis genug Leuten mit politisch hochkarätigen Freunden der Boden zu heiß wird – dann gibt es eine Amnestie. Für Hunderttausende Menschen, denen die Steuern automatisch vom Gehalt abgezogen werden, ist das freilich ärgerlich. Andererseits wäre das Land längst abgesoffen, wenn nicht wenigstens ein paar Leute Steuern zahlen würden. Die Bezahlung in Bananen ist – trotz entgegengesetzter Vermutungen – nach wie vor illegal. Aber vielleicht bald in Katzenfutter?

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