Sanssouci: Vorschlag
■ Das Art Ensemble of Chicago im Quasimodo
Seit immerhin einem Vierteljahrhundert gibt die Formation Art Ensemble of Chicago, die 1968 aus der Association for the Advancement of Creative Musicians hervorging – einer Art Chicagoer Musiker-Gewerkschaft der beginnenden Free-Jazz-Ära. Dem Anspruch, kreative Musik zu entwickeln, ist das Art Ensemble während der ganzen Zeit treu geblieben. Alle fünf Mitglieder komponieren. Und wenn auch Trompeter Lester Bowie in seinem traditionellen Arztkittel im Vordergrund der Bühne steht, so spielen doch alle Instrumente gleichberechtigt miteinander. Famadou Don Moye am Schlagzeug und den verschiedensten Percussion-Instrumenten und der Bassist Malachi Favors schaffen eigenständig viel mehr als nur den Klangteppich für die Trompete Lester Bowies oder die Saxophone Roscoe Mitchells.
Das Art Ensemble wollte immer die auf der ganzen Welt verstreute schwarze Musik zusammenfügen – so wie auch in ihren Stücken die Linien sich verstreuen, umherirren, und wieder zusammenfinden. Die Musiker tourten durch Afrika, traten in wildem Federschmuck und mit allerlei exotischem Trommelwerk auf, adaptierten karibische Rhythmen für ihre Musik und besannen sich auf die Ursprünge des US-amerikanischen schwarzen Jazz. Lester Bowie hat das auch in Solo-Projekten immer wieder deutlich gemacht, so mit der Brass Fantasy – in Anlehnung an die Kapellen, die um die Jahrhundertwende herum auf den Straßen New Orleans spielten, und in seinen Adaptionen von Gospels und Spirituals.
Zu Zeiten der Black-Power-Bewegung entstanden, waren vom Art Ensemble doch nicht die radikalen Töne eines Archie Shepp zu hören – mit dem Lester Bowie auch gelegentlich zusammenspielte – aber ihre Musik wollte schwarz sein, sollte schwarz sein. Bestehende musikalische Formen waren dazu da, um angenommen, verändert oder abgeschafft zu werden – undogmatisch, so wie's paßt und immer mit einem guten Schuß Selbstironie. Auch das Spiel mit Klängen ist voll diesen Humors. Lester Bowie hat das in einigen Stücken auf die Spitze getrieben: „Miles Davis meets Donald Duck“ – quak quak.
Das Treffen, das heute und morgen über die Bühne des Quasimodos gehen wird, steht in der Tradition der Band: Art Ensemble of Chicago meets The Chicago Blues Tradition – namentlich den Blues-Musiker und Lyriker Chicago Beau und den Gitarristen Herb Walker. Und daß diese ohnehin schon spannende Mischung noch verstärkt wird durch die Gruppe, mit der Lester Bowie schon im letzten Jahr in Berlin auftrat, macht die Sache noch interessanter. Allein ein Wiedersehen mit dem jungen, explosiven Saxophonisten James Carter ist schon eine Freude für sich – wie Amina Claudine Meyers diesmal die Orgel einbringt, bleibt noch abzuwarten, schließlich drängeln sich insgesamt zehn Musikschaffende auf der engen Bühne. „Lebende Legenden“? Quak quak. Bernd Pickert
Heute und morgen jeweils um 22 Uhr im Quasimodo
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