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Jeder gegen Jeden

■ In der österreichischen Medienlandschaft eskaliert der Konkurrenzkampf

Wien (taz) – Krone gegen täglich Alles, profil gegen News; Der Standard gegen Die Presse und schließlich noch Krone gegen ORF – die wichtigsten österreichischen Medien streiten miteinander auf harsche und zugleich komische Weise.

Der wichtigste Konflikt entbrannte dabei im April 92, als der Verleger Kurt Falk ein neues Produkt auf den Markt warf: täglich Alles hieß die weltweit erste vollständig farbige Hochglanz-Tageszeitung (die taz berichtete). Falk provozierte die Konkurrenz vor allem mit dem überaus niedrigen Preis von drei Schillingen (etwa 40 Pfennig), den er übrigens bis heute gehalten hat. Der Inhalt bewegt sich allerdings auf gleich niedrigem Niveau. Die Zeitungsmacher mußten sich fragwürdiger Recherchemethoden bezichtigen lassen, als etwa Reporter unerbeten in ein Krankenhaus zum Fotografieren eindrangen. Ein Teil der Blattmacher arbeitete zuvor bei Super! und Bild.

Der Verleger von der mit täglich Alles konkurrierenden Neuen Kronenzeitung war nicht nur deshalb pikiert. Hans Dichand (70) verbindet mit Kurt Falk (59) eine tiefe Männerfeindschaft. Zwar hatten die beiden 1959 zusammen die Kronenzeitung neugegründet und diese an die Spitze aller verkauften Auflagen geführt. Dennoch wurden sie nie Freunde. Nach jahrelangenen Streitereien, zeitweise führten sie nur über ihre Anwälte Gespräche, verkaufte Kurt Falk vor sechs Jahren seinen 45prozentigen Anteil an den Verlag der WAZ (Essen). Fünf Jahre durfte Falk allerdings keine neue Tageszeitung herausgeben, statt dessen brachte er Die ganze Woche unter das Sieben-Millionen-Volk.

Um täglich Alles in der Auflage an die Krone heranzubringen, griff Falk zu merkwürdigen Mitteln. Den Abonnenten von Krone und Kurier (auch an diesem Boulevardblatt besitzt die WAZ 45 Prozent) flatterten eines Tages ganz besondere Formulare ins Haus: Hiermit wäre es laut Falk möglich, Krone und Kurier auf juristisch einwandfreie Weise ab- und täglich Alles zu bestellen.

Außerdem kosten bei Kurt Falk Farbanzeigen kaum halb soviel. Dazu gab es wochenlang Gewinnspiele, die Auflage von täglich Alles kletterte damit bis auf 1,1 Millionen Stück, derzeit sollen es um die 850.000 sein. Zum Vergleich: Die Krone schafft zwischen einer und 1,4 Millionen (mehr gibt es pro Einwohner in keinem Land der Erde). Der drittplazierte Kurier (höchstens 850.000) rutschte daher in die Krise, es wird mit Entlassungen gerechnet.

Auf die ähnliche Weise versuchte die ebenfalls im letzten Jahr gestartete Illustrierte News, den Kampf gegen das Anfang der 70er gegründete Nachrichtenmagazin profil sowie den Wiener anzugehen. Auch hier wurde mit Gewinnspielen gearbeitet, die oft den Eindruck vermittelten, Werbung und redaktioneller Teil seien allzu eng miteinander verknüpft. News kolportierte darüber hinaus, das Konkurrenzmagazin profil werfe keinen Gewinn mehr ab. Daraufhin giftete profil-Herausgeber Hubertus Czernin zurück, News-Herausgeber Wolfgang Fellner sei ein „Lügner“ (es gäbe einen Gewinn von 10 Millionen Schilling) und dessen Blatt betreibe „Gefälligkeitsjournalismus“. Bei News hat auch der Springer-Verlag seine Hände im Spiel – es gibt Spekulationen, News-Österreich sei ein Test für eine Deutschland-Ausgabe.

Schließlich die Causa Standard kontra Presse: Der auf rosa Papier erscheinende Standard macht der seit Mitte des vorigen Jahrhunderts erscheinenden Presse zwar erst seit einigen Jahren Konkurrenz auf dem Gebiet der Abo-Zeitungen, er hat bei linksliberaler Blattlinie das ältlich-konservative Traditionsblatt in der Auflage schon überholt. Obwohl Die Presse seit Jahren rote Zahlen schreibt (sie werden u.a. von Industriellen getragen), versucht der Verlag es schon wieder mit gravierenden Veränderungen. Seit Mitte Juni erscheint das Blatt im Berliner Format (somit ein Drittel kleiner), bunt und aus einer neuen Druckerei. In einer neuen Abo-Kampagne soll versucht werden, zu den bis jetzt 80.000 verkauften Exemplaren noch weitere hinzuzufügen. Dabei, und das stimmt wirklich, kostet ein Abo von Mitte Juni bis Ende des Jahres 1993 lediglich 270 Schilling (etwa 40 DM) – soviel kostet allein der mitgelieferte blaue Regenschirm.

Während Der Standard unter der Rezession leidet (geringeres Anzeigenaufkommen), will Die Presse mit dem Dumpingpreis vorbeiziehen. Auch hier bekriegen sich die Redaktionen mit mehr oder weniger witzig formulierten Bosheiten. Vor knapp zwei Wochen etwa schrieb Standard-Spitzenredakteur Günter Traxler eine bissige Kritik der Presse-Veränderungen. Die Presse machte sich daraufhin über einen direkt daneben stehenden peinlichen Meldungsdoppler lustig.

Hetzkampagne gegen den ORF

Zuallerletzt bekriegt die Krone seit Monaten schon mit großer Beharrlichkeit den ORF und Intendant Gerd Bacher. Der Hintergrund: bislang hatte Österreich immer noch kein Gesetz, das den Betrieb von privaten Radio- und Fernsehsendern erlaubt (s. nebenstehende Meldung). Bacher hätte gern, wenn es dabei bliebe, seiner Meinung nach ist das Land zu klein für einen Konkurrenten auf dem TV- Werbemarkt. Außerdem würden die deutschen Privatsender sowieso schon einstrahlen, über Kabel oder Satellit kämen in jeden zweiten Haushalt RTL oder Sat.1. Die „Mediaprint“ aber, wie der von Krone, Kurier und WAZ gebildet Mediengigant heißt, hat selbst Appetit auf ein Standbein im Fernsehgeschäft. Entweder solle eines der beiden ORF-Programme privatisiert oder gleich ein neuer Sender gegründet werden. Um das zu erreichen, gibt es seit Monaten eine Hetzkampagne gegen Bacher und das „schlechte Programm“ des ORF. Die Öffentlich-Rechtlichen wehren sich dagegen mit einer Unzahl von Gegendarstellungen in der Krone, immer wieder trifft man sich vor Gericht. Falk Madeja

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