: Von Pappe
■ Unternehmer arbeitet am Prototyp: Recyclingsärge als Kostenbremse
Seit neun Jahren bereitet Ernst Felix Rutsch in Kiel beschädigte Papierreste auf, mit bescheidenem Erfolg: „Es reicht gerade so zum Überleben.“ Beim Todesfall im Verwandtenkreis entwickelte Rutsch für sein Unternehmen eine neue Überlebensstrategie – die Idee vom Papiersarg war geboren. Mit Hochdruck arbeitet der rührige Unternehmer nun am Prototyp, sogar um ein neues Firmengelände im fernen Brandenburg werde mit der Treuhand verhandelt: „Sowas brauchen die eigentlich“, mutmaßt Rutsch über seine Geburtsregion.
Sein Geld verdient der 53jährige eigentlich mit dem „Umarbeiten“ beschädigter Papierlieferungen für Druckereien. Probleme bereiten dabei die bis zu drei Meter langen Pappkerne in großen Papierrollen, mit denen sich nur schwer etwas anfangen läßt.
Das wußte auch das Kieler Umweltministerium, das den findigen Unternehmer um eine Idee bat. Rutsch schlug vor, die Pappe zu haspeln und neu zusammenzupressen. Warum muß ein Sarg aus Holz sein, fragt sich auch Werner Orlowski, der sich im Ministerium mit Recycling befaßt: „Der Sarg ist schließlich ein kurzlebiges Produkt“, meint er.
Die Entwicklungsreife eines Allerweltsprodukts hat der Pappsarg allerdings noch nicht erreicht. Eine Probeverbrennung des Materials im Kieler Krematorium sei noch unbefriedigend verlaufen, fand Rutsch: „Glasähnliche Rückstände“ wurden ausgemacht, auch die Zusammensetzung des Klebers in den Papprollen müsse die Industrie ändern, damit das Endprodukt umweltverträglich verbrenne. Schließlich fehle noch ein Zuschlagstoff mit hohem Brennwert, denn „bei 900 Grad muß der Körper verdunstet werden“.
Sogar einen Abnehmerkreis hat Rutsch ausgespäht: Neben all jenen, die ihren Geiz mit ins Grab nehmen möchten, kämen auch die Sozialämter als Kunden in Frage. Immerhin koste die einfache Holzversion rund 800 Mark, mehr als das geplante Pappprodukt. Und seitdem Krankenkassen kein Sterbegeld mehr zahlen, muß immer öfter das Sozialamt einspringen – der Pappsarg würde zur Kostenbremse für notleidende Kommunen. Bleibt die Frage, was die Friedhofsordnung unter dem vorgeschriebenen „festen Behältnis“ versteht.
Derweil sehen die Bestatter mit Argwohn auf die Reißbrettpläne. Chlor- und PCB könnten dafür sorgen, daß der letzte Frieden des Verblichenen zum Umweltproblem für die Überlebenden werden, meint Peter Tiet vom Bundesverband Deutscher Bestattungsunternehmer (Berlin): „Da müßte etwas ganz Neues kommen – der Pappsarg ist es jedenfalls nicht.“ Jürgen Bethke vom Bundesverband des Deutschen Bestattungsgewerbes sieht „Europa als Vollholzland“. Die technischen Probleme seien lösbar, aber „auf der Brauchtumseite hat das keine Chance“.
Zumindest die evangelische Kirche gibt sich in dieser Hinsicht modern. „Wir haben nichts gegen Pappsärge“, so Ocke Peters, Sprecher der Nordelbischen Kirche, „sie dürfen nur nicht aussehen wie Umzugkartons“. Kompromißlos werde dagegen die Ästhetik der Kirche verteidigt: „Keine Plastiksäcke aus Ersparnisgründen!“, warnt der Kirchenmann.
Norbert Hahn/dpa
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