: Südalpen für Naturfreunde
■ Wandern im französischen Nationalpark Les Ecrins
Beim „Maison du Parc“ von Vallouise, direkt neben dem gläsernen Neubau wartet ein Zaubergarten auf Besucher: Auf gewundenen Wegen können sie sämtliche Landschaftsformen durchstreifen, die in den Südalpen zu finden sind, können mit Hilfe von Hinweisschildern eine Übersicht über die Flora der Täler und Berge erhalten, einen Blick auf die Forellen im Wildbach werfen und mehr Vögel kennenlernen, als sie in freier Landschaft je sehen würden. Die Vögel bleiben freilich stumm, denn sie sind aus Holz geschnitzt.
Das Haus zum Lehrpfad ist eines der sieben Informationszentren des französischen Nationalparks „Les Ecrins“, mit dem Sitz der Direktion in Gap sind es sogar acht. „Les Ecrins“ – kein Mensch weiß genau, woher der Name stammt – wurde 1973 gegründet; er mißt in seiner Zentralzone 91.740 Hektar – mehr als jeder andere seiner Art im Lande.
Die Natur und Landschaft eines Hochgebirges unter südlicher Sonne wird hier geschützt, mit etlichen Berggipfeln, die um oder über 4.000 Meter über den Meeresspiegel aufragen (Meije, Barre des Ecrins und Monte Pelvoux), mit gewaltigen Gletschern, mit unvergleichlichen Bergseen, mit 2.000 Pflanzenarten (fast die Hälfte der gesamten französischen Flora) – und ganz wenig Wald. Mit diesen Hinweisen und ausgezeichneten Wanderkarten wird man im Informationszentrum versorgt.
Doch der beste Lehrpfad und die dicksten Bücher können den Eindruck nicht ersetzen, den die Natur selber vermittelt. Im Einzugsbereich der Durance, in den Regionalparks Lubéron und Queyras und den Nationalparks Mercantour und Ecrins findet man reichlich Gelegenheit zum Naturgenuß. Wen eine typisch alpine Landschaft lockt, der ist besonders gut im Ecrins-Park aufgehoben.
Er oder sie muß sich freilich an die Spielregeln halten: Bis hin zum Blumenpflücken ist so ziemlich alles verboten, was andernorts als selbstverständlich gilt. Selbst Hunde haben keinen Zutritt, das Campen ist ohnehin verboten. Von Vallouise aus bieten sich Autofahrern zwei Einstiegsmöglichkeiten in diese streng geschützte Zone an, bevor sie ihre Wanderstiefel anziehen.
Eine schmale Autostraße folgt dem gewundenen Lauf der Onde nach Westen bis zu einer Hochebene unterhalb des Pic des Aupillouse. Wer diesen Weg mit dem Mountainbike fährt oder gar in zwei bis drei Stunden wandert, kann erleben, wie die Landschaft allmählich immer karger, immer alpiner wird, wie der Laubwald den Lärchen weicht, die wiederum vereinzelten Schwarztannen Platz machen müssen. Sie können sich an dem Imbißstand frische Kräfte holen, der am Ende der Straße das Ende der zivilisierten Welt darstellt und den Einstieg in Natur pur.
Danach folgt nichts als Stille. Allenfalls ein Bach rieselt zwischen den Felsen, ein Vogel schreit; man meint, das spärliche Gras wachsen oder ein Murmeltier pfeifen zu hören. Hier ist das Reich der aromatischen Kräuter, von Genépie und Feuerlilie, von Gemsen und Alpenschneehühnern. Mauerreste zeugen davon, daß hier früher Schäfer ihre Sommerquartiere bezogen und an der Formung der Landschaft mitwirkten.
Das gleiche Erlebnis hat, wer das Tal des heiligen Ludwigs, das Vallouise, nach Nordwesten folgt. Der Fluß in seiner Mitte wechselt seinen Namen von Gyronde zu St. Pierre und wird auf schmaler Brücke ein letztes Mal gequert, bevor ein Parkplatz der Autostraße ein Ende setzt.
Als „Pré de Mme. Carle“ ist der Platz schon lange vorher ausgeschildert. Hier kann man übernachten und essen – und seine Stiefel zum Aufstieg in die Bergeinsamkeit schnüren. Dazu gehört große Rücksicht auf die empfindliche Pflanzenwelt, aber kein besonderer Mut. Wer sich nicht gerade ins Gletschereis wagt, kann den ausgewiesenen Pfaden getrost folgen. Und der „weiße Gletscher“, der Glacier Blanc, wirkt auch aus der Ferne gewaltig.
Für schwierigere Wanderungen finden sich in den Dörfern des Tals kundige Führer, im Hauptort Vallouise, in Pelvoux, St. Antoine, Ailefroide oder im Weiler Villard. Sie haben sich viel von der Ursprünglichkeit abgeschiedener Bergnester bewahrt, die andernorts dem Massentourismus geopfert wurde. Kein Wunder, daß die meisten Ecrins-WanderInnen hier Quartier nehmen, sich mit Tagesausflügen zufriedengeben – und wiederkommen. K.W. Biehusen
Informationen: Französisches
Fremdenverkehrsamt,
Postfach 100128,
60325 Frankfurt am Main,
Tel.: 069/7560830
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