Sechs neue Zeugen

■ Prozeß um KZ-Brandanschlag

Potsdam (taz) – Die Potsdamer Staatsanwaltschaft scheint diesmal ihre Hausaufgaben gründlich gemacht zu haben. Am dritten Verhandlungstag im Prozeß gegen die zwei mutmaßlichen Brandstifter der KZ-Gedenkstätte Sachsenhausen lieferte Staatsanwalt Uwe Picard die Namen von sechs weiteren mutmaßlichen Mittätern, die als Zeugen geladen werden sollen. „Die Erkenntnisse vom vergangenen Donnerstag haben mich veranlaßt, weiter zu ermitteln“, sagte er. Die Ermittlungen waren im Mai eingestellt worden. Zudem beantragte Picard die Anhörung von zwei Insassen der Justizvollzugsanstalt Oranienburg. Gegenüber beiden Häftlingen soll der Angeklagte Thomas H. eingeräumt haben, an der Tat beteiligt gewesen zu sein: „Es war eine Mutprobe.“ Im Anschluß an die Ausführungen des Staatsanwaltes erklärte sich Ingo K. bereit, unter Ausschluß der Öffentlichkeit auszusagen. Nach Angaben des Richters habe er dabei Hinweise auf die „Prenzlauer Glatzenszene“ gegeben.

Die Staatsanwaltschaft mußte sich nach den ersten beiden Verhandlungstagen dem Vorwurf stellen, so Pflichtverteidiger Wendland, „schlampig gearbeitet zu haben“. Die Anklage beruhte ausschließlich auf den inzwischen widerrufenen Geständnissen von Thomas H. und Ingo K. Beide sagten aus, zusammen mit 15 anderen Skins den Brandanschlag verübt zu haben, und zwar mit Molotowcocktails.

Am zweiten Verhandlungstag bröckelte dann die Anklage. Nach einem Brandgutachten ist das Feuer allein durch „Hantieren mit offener Flamme“ gelegt worden. Die Verwendung von Molotowcocktails sei absolut auszuschließen. Picard zeigte sich noch vergangen Donnerstag resigniert. Hektisch wurde dann am Freitag eine erneute Durchsuchung des Tatorts veranlaßt. Die Suche im KZ Sachsenhausen verlief jedoch nach Polizeiangaben erfolglos.

Picard beantragte weiterhin die Anhörung der Sachverständigen, die direkt nach der Tat den Brandort untersucht hätten. Sowohl Richter als auch Verteidiger reagierten überrascht auf den Vorstoß des Staatsanwaltes. Sie schienen vorher nicht von den neuen Ermittlungserkenntnissen gewußt zu haben. Anja Sprogies