piwik no script img

Loopings vor Schloßattrappe

■ Vorsitzender des Fördervereins Berliner Schloß ist empört: 14 Tage lang wirdder freie Blick auf die Schloßattrappe durch eine Looping-Bahn "verschandelt"

Architekturbegeisterte Touristen, die die Schloßattrappe ab nächste Woche fotografieren möchten, müssen schwindelfrei sein. Denn den schönsten Blick auf die Plastik-Schloßfassade werden diejenigen haben, die die Achterbahn benutzen, die derzeit dicht neben der Schloßbrücke Unter den Linden aufgebaut wird. Der ruhige Blick von der Staatsoper oder vom Lustgarten auf die Schloßillusion wird ab Sonntag und bis zum 8.August durch ein 15 Meter langes Bierzelt und durch eine gewaltige Looping-Bahn gestört sein.

Wilhelm von Boddien, Vorsitzender des Fördervereins Berliner Schloß, ist außer sich vor Ärger über die optische Zerstörung des Kunstwerkes. „Die ganze Aussicht wird verschandelt“, schimpfte er, „das Schloß verkommt zur Jahrmarkts-Kulisse“. Besonders sauer ist von Boddien über das Tiefbauamt des Bezirks Mitte, das den Vertrag mit dem Schaustellerverband unterschrieben hat. Anstatt darauf zu drängen, daß zumindestens die Looping-Bahn in den hinteren Bereich des Marx-Engels- Platzes abgedrängt wird, verteidigt das Amt den Achterbahnstandort. Weil, so Tiefbauamtmitarbeiterin Frau Grule an Wilhelm von Boddien, eine Looping-Bahn „durchsichtig“ sei, störe die Rummelanlage den Schloßblick nicht.

Die Auseinandersetzung über das 14tägige Rummelvergnügen hat einen langen Vorlauf. Denn als von Boddien im Januar mit dem Bezirksamt Mitte den Vertrag über die Schloßsimulation unterschrieb, wußte er bereits, daß der Platz an den Schaustellerverband vergeben ist. Von Boddien vereinbarte deshalb im März mit den Rummelplatzbetreibern einen Kompromiß. Die kleinen Buden, Karussels und Bratwurststände sollten an die verkaufsgünstige Straßenfront, die großen Anlagen hingegen zwischen den Palast der Republik und den Marstall. Diesen Kompromiß haben die Schausteller, wie Boddien meint, jetzt verletzt, und der Bruch der mündlichen Verabredung werde durch das „ignorante Verhalten des Tiefbauamtes“ sanktioniert. Verdorben sei damit das Wesentliche der Simulation, nämlich der Augenschein, daß nur die Schloßrekonstruktion sich architektonisch in das Gesamtensemble Lustgarten, Breite Straße, Unter den Linden einfügt. Daß der Tiefbauamt-Vertrag mit den Rummelplatzbetreibern nur bis zum 8. August läuft, besänftigt von Boddien nicht. „Jetzt ist Haupttouristenzeit“, und die Looping-Bahn sei eine „Respektlosigkeit gegenüber allen Besuchern“. Ein kleiner Trost für von Boddien sind dafür die neuesten Stellungnahmen von Politikern über das Vorhaben, die Schloßausstellung zu verlängern. Die CDU- Fraktion will sich dafür einsetzen, daß die Attrappe über den Winter hängenbleibt. Allerdings zeichnet sich dann neuer Ärger mit dem Schaustellerverband ab. Denn der hat den Platz vor dem Südportal bereits für den Weihnachtsmarkt gemietet. aku

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen