piwik no script img

■ Das PortraitDer Rubel

„Entfernt Lenin von dem Geld“, schmetterte Poet Andrej Wosnessenski in die Weite der Stadien hinein, wo in den sechziger Jahren Tausende seinen Versen lauschten. Die sowjetische Zentralbank reagierte empfindlich. Das Bild des Heiligen sollte nicht beschmutzt werden. Vielleicht jedoch befürchtete sie Schlimmeres: denn dem Äquivalent haftete schließlich etwas Unsauberes an. Der Kommunismus wollte es ganz und gar beseitigen.

Dabei hatte das einheitliche Geldsystem des Moskauer Staates im 16. Jahrhundert mit dem Konterfei eines Heiligen begonnen. Das abgekniffene Ende eines Stücks Silberdraht zierte das Portrait des heiligen Georg mit der Lanze. Es war die Kopeke. Heute will für sie – von kopjo (Lanze) – keiner mehr eine Lanze brechen.

Aus dem Verkehr gezogen Foto: Erik-Jan Ouwerkerk

Die russische Scheidemünze, der hundertste Teil eines Rubels, ist sang- und klanglos unter den inflationären Papierrubelbergen verschieden. Mit dem Ende der UdSSR ging auch Wosnessenskis Reinheitsgebot in Erfüllung. Der Vater allen Sowjetseins, Lenin, verschwand von den Noten. Natürlich hatte Lenin Weliki – der Große – nur die nennenswerten Scheine geschmückt. Ab 10 Rubel aufwärts. Übers Kleingeld, die 1-, 3- und 5-Rubel-Scheine blieb er erhaben. Die neue Macht in Rußland machte ein Ende mit der Bilderverehrung. Von den neuen Tausendern bis zum frischesten Fünfzigtausender bescheidet sich der Rubel mit stilisierten Variationen der Kremlarchitektur.

Mit dem Rubel war es einstmals solide losgegangen. Im 13. Jahrhundert kursierte er als Silberbarren mit immerhin 200 Gramm Silber. Ende des 19. Jahrhunderts hatte er dann nur noch ein Gewicht von 18 Gramm. Wegen seiner Leichtigkeit eignete er sich daher besonders für gewagte Börsenmanöver und weniger für seriöse Investitionen. Selbst raffgierige Kapitalisten bevorzugten stabilere Währungen und verzichteten auf gigantische Profitraten. Daran änderte auch die Einführung eines Goldrubels wenig. Der Rubel war im Laufe seiner Geschichte eine vielköpfige Hydra, aber nie eine richtige Währung. Vor allem in den letzten 70 Jahren spielte die Höhe des Einkommens eine geringe Rolle, die Sachleistungen waren wichtiger. Erst in diesem Jahr wird er in den Kreis des echten Geldes aufgenommen. Denn inzwischen rollt der Rubel wieder. Klaus-Helge Donath

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen