piwik no script img

Nordlichter beleuchten die Stadt

■ Fotoband mit Arbeiten 15 junger Fotografen für Hamburg-Fans

Daß Hamburg als Print-Medien-Stadt Journalisten und Fotografen anlockt wie das Licht die Fliegen, ist ein offenes Geheimnis. Daß die Stadt aber auch Talente produziert wird oft vergessen. Der von Fotograf und Photo-News-Macher Denis Brudna in Zusammenarbeit mit der Ilford Photo GmbH herausgegebene Fotoband Nordlichter ist ein gutes Beispiel für ein durch kluge Präsentation erreichtes Sponsoring junger Kunst.

Inklusive der fotografischen Dokumentation des Herausgebers Brudna widmen sich die 15 Fotografen Themen, die in Hamburg auf der Straße liegen. Ob Speicherstadt, Rettungs-Dienstler, die Heroen des Freihafens oder die prominente Hamburger-Damen(?)- und Medienmacher-Welt — der repräsentative Bild-Querschnitt ist gelungen: zwischen arm und reich, Show und Arbeit, Mode und Alltagsleben. Das eher randständige, in der Geschwindigkeits-Kriegs-Gesellschaft übergangene, wird dem Inszenierten und Gestylten gegenübergestellt und erzeugt einen wohligen, widersprüchlichen Zusammenklang, der auch das Dissonante nicht leugnet.

Die „Nordwerft“ ist in der Gemeinschaftsproduktion von Horst Hornig und Thomas Kummerow neu zu entdecken. Sie portraitierten den Werftalltag und integrierten Wünsche und Vorschläge der Arbeiter. Besonders gelungen ist die Kombination mit Zitaten der Dargestellten, die auch die Bilder auswählten: „Die Kräne und das Dock, das macht eine Werft aus. Wir sind ja heute ein reiner Reparaturbetrieb. Mit den Docks steht und fällt die Werft“, wird Betriebsrat Günther Kööp zitiert.

Als Kontrapunkt dazu erscheinen die Arbeiten Dagmar Bressels, die die „Mode im Hafen“ thematisierte. Zwischen Morbidität, harter Arbeit, Sex und Erotik, Sehnsucht und Enttäuschung inszenierte sie den möglicherweise falschen Wimpernschlag der Schönen für eine durchrauschte Nacht. Gleichermaßen ein Wahrheitsdiskurs: „Schlecht & Schmutzig“ gehört dazu, wenn „Gut & Gerne“ das ästhetische Ziel sein soll. Daß der Hamburger kein Fisch-Kopf ist, wie einige, schwer verständliche Süddeutsche gerne unwissend grunzen, zeigen die Stilleben von Christiane Krüger. Ihre Serie „Hamburger Fische“ lebt still und schön. Nichts für Foodstylisten, wohl aber ein Augenschmaus für Freunde der Bild-Poesie. Klaus Elles Spieltrieb führte zur Faszination am „mysteriösen Schnurren und Klicken der Kamera“, und betont den Blick für das Marginale, das oberflächlich verborgene Bildwürdigkeit entläßt. „Die Erfahrung einer Stadt“ zeigt Klaus Willenbrock mit bruchstückhaften Impressionen flüchtiger Bildwelten in der Geschwindigkeits-Gesellschaft.

Die subjektive Auswahl verweist auch darauf, daß in dieser Stadt noch so mancher eine fotografische Zukunft hat. Leider fehlt eine Ausstellung zum Buch — aber was nicht ist, kann ja noch werden.

Gunnar F. Gerlach

“Nordlichter“ gibt's für vier Mark in Briefmarken bei: Ilford GmbH, Heinrich-Hertz-Str.1, 63303 Dreieich

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen