piwik no script img

Selbstentlastung

■ betr.: "Versager aller Länder, verteidigt Euch!", taz vom 24.6.93

betr.: „Versager aller Länder, verteidigt Euch!“, taz vom 24.6.93

Es ist natürlich eine Schande, und da hat Daniel Cohn-Bendit ganz recht, daß sich kaum jemand engagiert, um den bosnischen Muslimen – oder genauer: den MuslimInnen, SerbInnen, KroatInnen in Bosnien, die dort bewußt in einer multi-ethnischen Gesellschaft zusammenleben wollen – eine wirkungsvolle Hilfe zu bringen. Doch wenn er dort Soldaten hinschicken will, würde er junge Menschen dem Tod und der Verstümmelung aussetzen, und das unter der Gefahr der Eskalation des Krieges und mit zweifelhaftem Erfolg, wie Militärs in der letzten Zeit immer wieder betonen. Dabei würde er selbst ja auch nichts tun und müßte seine komfortable Position als Zuschauer nicht aufgeben.

Es gibt recht viele Menschen, die sich aktiv für den Frieden im ehemaligen Jugoslawien einsetzen. Die italienische Friedensbewegung ist dort tätig, um ein Beispiel zu nennen, und ebenso FriedensfreundInnen aus den verschiedensten Ländern und Organisationen.

Weshalb wird diese Arbeit bei uns fast völlig ignoriert und kaum unterstützt? Wo bleiben die berühmten 68er, die FriedensforscherInnen, die links-grün-alternativen PolitikerInnen und alle diejenigen, die auf den Demos der vergangenen Jahre große Reden gehalten haben? Weshalb sind sie nicht schon längst zu einer Friedenskarawane nach Bosnien aufgebrochen, um in Sarajevo oder meinetwegen auch an weniger gefährlichen Orten ihre Seminare, Workshops, Versammlungen und andere Veranstaltungen und Aktionen durchzuführen?

Daß die Friedensbewegung angesichts des Krieges im ehemaligen Jugoslawien bisher ohne sichtbaren Erfolg blieb, liegt nicht zuletzt an der Untätigkeit solcher Leute wie Daniel Cohn-Bendit. Er zieht es vor, über die Schlechtigkeit der Welt und die Unzulänglichkeit der Menschen zu lamentieren und möchte sich gern selbst entlasten, indem er seine Ohnmachtsgefühle verallgemeinert und versucht, sie auch noch anderen einzureden. Jörg Schulz Trieglaff, Hannover

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen