: Ein barfüßig einbeinig tanzender Meister
■ Gregory Campbell (55), Zen-Mönch und Schwitzhüttenbauer aus Verden, geht mit Männern durch die Hölle
Greg Campbell: Scout auf allen Wegen vom Initiationsproblem zum reifen MannFoto: Christoph Holzapfel
Sind Sie ein Guru, Herr Campbell? Nein, da lacht er. Obwohl ihn manche Männer in seinen Seminaren dazu machen wollen. Er deutet auf sein linkes krankes Bein: „Ich nenne mich barfüßig einbeinig tanzender Meister.“
Gregory Campbell ist 55 Jahre alt und Amerikaner, ist Meditationsmeister und weiser Führer durch die Höllen männlicher Initiation. In einer Wohngemeinschaft bei Verden lebt er zusammen mit zehn Erwachsenen, drei Schafen und einer Katze. In Wochenendseminaren arbeitet er mit durchschnittlich zwanzig Männern an deren wundem Innenleben und befördert sie von einem jungenhaft-unreifen in einen reifen Zustand. Kommenden Donnerstag tritt er im Rahmen einer Tournee durch Norddeutschland in Bremen auf, Thema: „Der Weg der Männer“. Nur für Männer.
hierhin das
Foto von dem bärtigen
Mann mit Brille und
Stirnglatze
(bitte das, wo er
nach rechts schaut)
Bevor Campbell noch von den vielfältigen Strategien der Naturvölker wußte, aus Kindern Erwachsene zu machen, bevor er den Begriff Initiation kannte, träumte er wie die meisten Jungen von Gefahr und Bewährung, Schmerz, Angst und deren Bewältigung. Seine Kindheit war, sagt er, „wie Hänsel und Gretel, aber ohne happy end“. Mit 18 lief er weg und ging dahin, wo die richtigen Männer gemacht werden: zu den Marines, den amerikanischen „Ledernacken“. Einziger Erfolg: er wurde Pazifist.
Allerdings war er die letzten beiden von vier Jahren in Japan stationiert. Nach der Entlassung blieb er 15 Jahre dort, studierte Japanisch, schlug sich als Übersetzer durch und ging dann in ein Kloster. Gregory Campbell wurde Zen-Mönch.
Irgend etwas fehlte. Heute weiß er, was er später wieder in
den USA und dann in Europa suchte, und das ist es, was seine Mannwerdungsseminare von einem Meditationsworkshop unterscheidet: das Grounding. Gern erzählt der graue Vollbart mit der hohen Stirn, der einem archetypischen Vaterbild nahe kommt, bei seinen Seminaren die Geschichte von Ikarus, einem flying boy ohne Bodenhaftung. Auch ihm fehlte, was Greg's Seminaristen heute erfahren, wenn sie unter seiner Anleitung durch die Hölle gehen.
Die Hölle, das ist die Schwitzhütte, die Campbell, der im Westen der USA aufgewachsen ist, bei den Indianern kennengelernt hatte. Mit vielen Männern und heißen Steinen sitzt man in einem stockfinsteren Zelt und schweigt und schwitzt, derweil die Temperatur ansteigt. „Bei meinem ersten Mal habe ich die Schwitzhütte nach zwei Minuten verlassen“, erzählt Campbell. Es sei drinnen wie im Mutterleib, dunkel, heiß, feucht, eng. „Der alte Greg stirbt, heraus kommt ein reifer Greg.“ Der sich ins Gras plumpsen läßt und Mutter Erde umarmt.
Die Schwitzhütte klopft die restlichen Panzer weich, hilfreiche Männer geben dem Verstockten den Rest: „So jetzt sag auch mal was von dir, hör auf, eine Rolle zu spielen!“ Die Wunden aus der Kindheit werden offengelegt, der ganze Betrug, die ganze Verlassenheit, und das ist Campbells Trick: Die moderne Initiation arbeitet nicht mehr mit geritzten Häuten und strömendem Blut, sondern mit den inneren Wunden. Wer durch seine Seminare gegangen ist, ist, sagt er, reif geworden, ein Mann.
Arbeit am Schatten, Kindheitswunden, dysfunktionale Familie, Animus und Anima: Gregory Campbell hat sich sein Weltbild aus C.G.Jung, Alice Miller, der Bibel, den Dichtern der deutschen Romantik, indianischen und japanischen Weisheiten gebastelt, und in seinem Bild spielt er selbst durchaus eine wichtige Rolle, da er an nichts geringerem als dem „für das Überleben der Welt wichtigsten Thema“ arbeitet: der Initiation des Mannes. Ohne diese wird aller Seelenmüll an die Kinder weitergegeben, die Welt wird nicht besser. Und schon entsteht eine kleine norddeutsche Männerbewegung aus lauter Ex-Seminaristen, die sich alle zwei Monate beim Meister treffen.
Gregs Initiationsgruppe laufen über ein halbes Jahr, je ein Wochenende im Monat. Das Wochenende kostet 390 (ermäßigt 290) Mark. Mit Auftritten in Bremen, Göttingen, Hamburg etc. trommelt er schon für die nächste Seminarreihe, die im Herbst beginnt.
Bei den Frauen macht Campbell, der ausdrücklich nur Männer zuläßt, übrigens immer häufiger Angst und Aggression aus, die schon im Faschismusvorwurf gipfelten. Mit dem Männerbündischen gibt es eben mehr schlechte als gute Erfahrungen. Doch Campbell besteht darauf: „In den Naturvölkern ist die Männerinitiation ein Geheimnis.“ Natürlich hat er ein Angebot für die Ausgeschlossenen: Seine Frau bietet Kurse nur für Frauen an - weibliche Initiation. Burkhard Straßmann
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen