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Anklage gegen Pätzold Anzeige gegen Lancelle

■ Spätfolgen der Schmücker-Affäre: Erich Pätzold antwortet mit vier Strafanträgen auf „einäugige Ermittlungen“

Gestern mittag erhielt der ehemalige Innensenator Erich Pätzold (SPD) Post von Oberstaatsanwalt Matthias Priestoph. Nach 33 Monaten Recherche, die mit aufwendigen Reisen verbunden waren, erhebt der Ermittler nunmehr Anklage gegen den SPD-Politiker wegen des Verdachtes der uneidlichen Falschaussage. Pätzolds Delikt: Er soll 1990 vor dem Schmücker-Untersuchungsausschuß eine falsche Angabe über den Zeitpunkt gemacht haben, zu dem er zwei Jahre zuvor, noch als Oppositionsabgeordneter, Kenntnis von den 700.000 Mark erhielt, die der Verfassungsschutz seinerzeit an seinen Ex-V-Mann Weingraber gezahlt hat.

Heute erhält der Generalstaatsanwalt beim Landgericht, Hans- Joachim Heinze, Post von Pätzold. Er stellt Strafantrag gegen den Staatssekretär der Innenverwaltung Eike Lancelle (CDU), den ehemaligen Staatssekretär Wolfgang Müllenbrock (CDU) und die beiden Abgeordneten Klaus-Hermann Wienhold (CDU) und Rolf- Peter Lange (FDP), gleichfalls wegen des Verdachts der Falschaussage. Pätzold will damit vor allem gegen „die offenkundig und nachweisbar falsche Aussage“ Müllenbrocks vorgehen, daß er „vor der Zahlung an Weingraber nicht nur ausführlich unterrichtet worden, sondern damit einverstanden gewesen“ sei.

In seinem Schreiben an Heinze wirft Pätzold Priestoph vor, daß dieser den „ihm längst offenkundigen Falschaussagen (...) beharrlich und pflichtwidrig nicht nachgeht“. Statt dessen ermittle er „in absoluter Einäugigkeit“ gegen ihn als seinerzeitigen Innensenator.

Den Grund für diese „Verbohrtheit“ des Oberstaatsanwalts sieht Pätzold in einem Vermerk des Verfassungsschutzes aus dem Jahre 1978, den er als damaliger Innensenator im Oktober 1990 gegenüber dem Schmücker-Untersuchungsausschuß öffentlich machte. Gegenstand des Vermerks war gleichfalls der V-Mann Weingraber, über dessen damals noch unbekannte Aktivitäten die Richter im Schmückerverfahren von den Staatsanwälten informell unterrichtet wurden.

Laut VS-Vermerk bat seinerzeit der Ankläger Müllenbrock den Vorsitzenden Richter Fitzner, „die ganze Angelegenheit (...) zu vergessen“, was dieser auch zusagte. An dieser informellen Runde war auch Möllenbrocks Kollege Priestoph beteiligt gewesen. Das Verhalten der Staatsanwälte war, nachdem Pätzold es 13 Jahre später publik machte, einer der Gründe, die zur Einstellung des Schmückerverfahrens führten. Die Richter hatten darin einen Rechtsbruch erkannt. Dieser ist, da er erst 1990 öffentlich wurde, nach Pätzolds Ansicht, auch heute noch nicht verjährt.

Wegen dieser Vorgeschichte hegte Pätzold seit dem Beginn der Ermittlungen gegen Priestoph den Verdacht der Befangenheit. Seinem Begehren, den Oberstaatsanwalt mit der „politisierenden Gemüts- und Motivlage“ zu ersetzen, wurde aber sowohl von Heinze als auch vom Generalstaatsanwalt beim Kammergericht, Dieter Neumann, widersprochen. Auch Justizsenatorin Jutta Limbach (SPD) kam nach einer amtsinternen Überprüfung zu dem Ergebnis, daß sie nur dann aktiv werden könne, „wenn das kritisierte Verhalten der Staatsanwaltschaft offensichtlich rechtsfehlerhaft und oder willkürlich sei“.

Pätzold sieht in Limbachs Zurückhaltung eine „kapitale politische Fehlentscheidung“, zumal ihre Verwaltung ursprünglich zu einer entgegengesetzten Empfehlung gekommen sei. Vor allem Limbachs Weigerung, den Prüfvorgang gegenüber dem Abgeordnetenhaus offenzulegen, sei „ein unglaubliches Verhalten“. Dieses Verhalten will nun die SPD-Fraktion nach der Sommerpause auf die Tagesordnung des Parlaments setzen. Dieter Rulff

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