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Bühnenbauch wird geliftet

■ Hämmern, Sägen, Schweißen im Schauspielhaus für die neue Bühnen-Untertechnik

Tief unter der Bühne des Schauspielhauses herrscht ein wenig Eisenbahnromantik. Die gewaltige Drehbühne mit 14 Metern Durchmesser ruht mit Stahlrädern, die zu einer Dampflok gehören könnten, auf einer Rundschiene. Das Fundament der Schiene ist noch von Hand gemauert. Schon der zweite Blick führt in die hochtechnisierte Gegenwart. Von der betagten Untermaschinerie ist nur der Rahmen geblieben. Hinter dem Schienenkranz stehen dicht gebündelt etliche grüne Gasflaschen, „der Stickstoff für die Hydraulik“, erklärt Stefan Pelz, Technischer Assistent am Schauspielhaus.

Ab der neuen Spielzeit brechen für die Bühnentechnik des Schauspielhauses moderne Zeiten an. Früher konnte die Bühne nur gedreht werden, zukünftig können große Teile auch gehoben, gesenkt und schräggestellt werden. Etwa acht Millionen Mark werden dafür insgesamt verbaut. Weil bis zum Beginn der Bühnenproben am 12. September alles fertig werden soll, wird auf allen Ebenen gesägt, geschweißt und gehämmert.

Zur Zeit sieht die Anlage noch aus wie ein großer Krater mit Baugerüst. Der Blick vom Boden nach oben wird von Stahlträgern und Holzlatten durchkreuzt. Beim Aufstieg vom Fundament mit seinen Stickstoffflaschen und gelben Hydraulikpumpen kommt man in den künftigen Bühnenkeller.

Wo demnächst Schauspielerinnen und Schauspieler auf eines der drei fahrbaren Podien steigen können, um maschinell auf die Bühne gefahren zu werden, klafft noch ein großes Loch. Nur die dicken Außenträger der zehn mal zweieinalb Meter großen Doppelstock-Hubpodien sind schon montiert. An einer Seite des Raumes stehen drei Stahlschränke, in denen ein Gewirr von Kabelsträngen steckt. Wie in einem Verteilerkasten für Telefonleitungen werden hier die Strippen der computergesteuerten Anlage gebündelt. Alle Bühnenfahrten können demnächst zentimetergenau programmiert werden.

Der Hydraulikantrieb mit insgesamt 5.000 Litern Öl und über 7.000 Litern Stickstoff soll alle Bewegungen fast geräuschlos durchführen. Trotz der gewaltigen Ausmaße der neuen Anlage werden nicht alle Träume erfüllt. „Am liebsten hätten wir natürlich sieben Podien mit sieben Metern Breite die über sieben Meter fahrbar sind“, erzählt Franz-Josef Wielinski, der Technische Direktor des Schauspielhauses. „Wir durften ein Gesamtgewicht von 130 Tonnen nicht überschreiten, weil unter der Anlage auch noch ein U-Bahn-Schacht liegt.“ Die jetzige Ausführung nutze die vorhandenden Möglichkeiten optimal. Oben auf der Bühne verlegen die Handwerker die ersten Bodenstreben auf den Trägern der Hubpodien. In dieser Etage herrscht ein Kommen und Gehen, und das nicht nur von beteiligten Bauarbeitern. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Hauses zeigen so reges Interesse an den Veränderungen auf „ihrer“ Bühne, daß sich die beteiligten Firmen schon über „Baustellentourismus“ beschwerten, erzählt Stefan Pelz.

Zu Beginn der neuen Spielzeit soll der geliftete Bauch der Bühne einsatzbereit sein. Ihren ersten großen „Auftritt“ vor Publikum wird sie allerdings nicht in der ersten der fünf Oktober-Premieren des Schauspielhauses haben. Wer die neue Technik bewundern will, sollte sich für Oktober das Shakespeare-Stück Troilus und Cressida in den Kalender schreiben. Dann ist aber das kriegerische Geschehen auf der Bühne hoffentlich viel aufregender als die beinahe geräuschlos fahrenden Doppelstockpodien.

Werner Hinzpeter

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