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Palm Beach Story

■ Preston-Sturges-Filme im Moviemento

Weil seine Kleinstadtmitbürger fälschlicherweise glauben, er sei ein Kriegsheld, wird ein kleiner Soldat zum Bürgermeister gewählt – und behält den Job, auch nachdem der Schwindel aufgeflogen ist. Eine Provinztussi läßt sich im Suff von einem ins Feld ziehenden Soldaten schwängern, bekommt Sechslinge und wird zum nationalen Idol. Mit den Archetypen amerikanischer Sauberkeit hat Preston Sturges nichts am Hut. Mitten im Krieg, 1943 und 1944 drehte er seine bösen Komödien „Hail The Conquering Hero“ und „The Miracle Of Morgan's Creek“. Von den Großmeistern des Hollywoodkinos ist Sturges der Unbekannteste, das Moviemento widmet ihm jetzt eine achtteilige Retro. Der Film war nur eine der vielen Passionen des umtriebigen Mannes. Er leitete Mutters Kosmetiksalon, erfand den kußechten Lippenstift und anderes nützliche Haushaltsgerät, produzierte Dieselmotoren und schrieb Broadwaykomödien. Darüber kam er Anfang der Dreißiger als Drehbuchautor nach Hollywood. Leisens Screwball-Klassiker „Easy Living“ stammt aus seiner Feder. 1940 startet er eine Blitzkarriere als Regisseur. Sein erster Film bringt ihm gleich einen Oscar.

Wenn bei anderen Storys längst die Endtitel abrollen, fängt Sturges gerade mal an. In „Sullivan's Travel“ – seinem besten und bittersten Film, der leider nicht in der Retro läuft – will ein erfolgreicher Komödien-Regisseur sozial Relevantes auf die Leinwand bringen. Zwecks Feldstudien steigt er hinab ins Elend, bringt ein junges Mädchen, in das er sich verliebt hat, nach Hollywood und lernt, wie schlecht es um die Menschen am unteren Ende der sozialen Leiter bestellt ist. Eine runde Geschichte, aber erst die halbe: Durch eine Verwechslung wird er für seinen eigenen Mörder gehalten und lernt im Straflager erst richtig die Schattenseiten des American Dream kennen.

In vielen seiner Filme mischt Sturges comedy und social drama. Seine Welt ist in Besitzende und Habenichtse eingeteilt. Die Armen trifft ein ebenso mitleidloser Blick wie die Reichen. Dabei ist Sturges kein realistischer Chronist, er übertreibt in einem fort. Seine Figuren sind mit dem Karikaturistenstift gezeichnet. Als millionenschwerer Brauereierbe kommt Henry Fonda in „The Lady Eve“ zwar von der Schlangenjagd am Amazonas. Angesichts der geballten Anmache liebeswilliger Ladys auf dem Ozeandampfer verhält er sich aber wie ein Kaninchen vor dem Kobranest. Gegen diese Figur ist selbst der frühe James Stewart ein Draufgänger. Barbara Stanwyck, die den personifizierten Waschlappen zum Objekt ihrer (finanziellen) Begierde auserkoren hat, ist demgegenüber mit sämtlichen Attributen einer starken, eigenwilligen, durchsetzungsfähigen, emanzipierten Frau ausgestattet. Mit diesen Gegensätzen kann nur eine völlig überdrehte Geschichte entstehen. Die Begegnung der Extreme ist typisch für Sturges. Es hagelt absurde Zufälle, die Stories gleiten ins Irreale. Das obligatorische Happy-End ist meist so unlogisch und unvermittelt drangepappt, daß es selbst der Blödeste kaum für bare Münze nehmen kann.

In rasendem Tempo spulen sich auch die Dialoge ab. Ein Feuerwerk zündet das nächste. In fast jedem Satz steckt ein Wortspiel oder eine Pointe. Was in den Screwball- Comedies der Dreißiger angelegt wurde, bringt Sturges zum bissig- spöttischen Höhepunkt und Abschluß.

„I think your ideas are good, because they seem good to me. I know they're good, because you won the contest over millions of other people“, sagt der Kaffeekonzernchef in „Christmas In July“ zu Dick Powell, der sich wegen eines gefälschten Telegramms gerade auf dem rasanten Weg nach oben befindet. Der Schein bestimmt das Sein. Der ewig amerikanische Traum vom schnellen sozialen Aufstieg motiviert auch Sturges' Figuren. Allerdings bleiben sie im Spiel, auch wenn sie gelogen und betrogen haben. Barbara Stanwyck kriegt Henry Fonda, obwohl sie ihm zuerst mit Kartentricks das Geld aus der Tasche gezogen und danach auch noch die Adlige markiert hat. Die Helden stürzen nur, wenn sie zu integer sind. Der „Great Mc Ginty“ landet deshalb wieder in der Gosse, wo er herkam, weil der vermeintliche Gouverneur ehrlich zugibt, daß er eigentlich ein Penner ist. Die Moral siegt in den seltensten Fällen. Sturges will nichts beweisen, er konstatiert nur, und das mit einem deftigen Schuß Zynismus. Komödie und Gewissen sind zwei Dinge, die bei ihm nicht zusammenpassen.

Seine Schauplätze sind dieselben wie in den Dreißigern: Luxusliner, Schlafwagenkabinen, schnieke Büros auf der einen und schäbige Provinzkabuffs auf der anderen Seite. Was fehlt, ist der sentimentale New-Deal-Optimismus von Frank Capras Kleine- Leute-Dramen. Und das „Topic A“ – wie Sex in der „Palm Beach Story“ genannt wird – wird nicht eindeutig umschrieben wie bei Lubitsch, sondern direkt beim Namen genannt. Sturges hat die Gagtechnik des Stummfilms wiederentdeckt. Der Slapstick feiert ausgefeilte Urstände. Wie in den Komödienserien von Hal Roach und Mack Sennett sind die Nebenrollen immer mit den gleichen Schauspielern besetzt: William Demarest gibt in vielfacher Ausführung den aufbrausenden Grobian und Franklin Pangborn ist unnachahmlich schmallippig als leicht tuntiger Snob mit dabei.

Preston Sturges war kein Mann, der sich Zeit ließ. Acht von seinen insgesamt zwölf Filmen drehte er innerhalb von vier Jahren. Für einen Dauerplatz im Filmhimmel – direkt neben Billy Wilder, dem anderen großen Zyniker – hat das gereicht. Gerd Hartmann

Sturges Werkschau, bis 25.8. im Moviemento

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