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Im Sammeltransport nach Serbien

■ Trotz Wehrpflicht: Roma soll abgeschoben werden / Protest der RCU vorm Bieberhaus / Petition gegen Massenausweisung     Von Kaija Kutter

Unangemeldeten Besuch bekam gestern früh der Chef der Ausländer-behörde, Peter Bornhöft. Begleitet von rund 100 Landsleuten sprach Rudko Kawczynski von der Rom & Cinti-Union im Bieberhaus vor. Anlaß: Obwohl zur Zeit vor der Bürgerschaft ein Sammel-Petitionsverfahren für 163 Roma anhängig ist, hatte die Ausländerbehörde den Asylsuchenden Zafer Adzovic in Abschiebehaft genommen. „Wir hatten ernste Hinweise, daß er abgeschoben wird“, begründet Kawczynski die Aktion.

Doch für den wehrpflichtigen jungen Mann kam die Solidaritätsaktion vermutlich zu spät. Er sei unterwegs im Sammeltransport nach Regensburg, erfuhren seine Angehörigen, als sie nachmittags in der Ausländerbehörde anriefen. Einmal in der Woche fahren Busse von Hamburg über Land Richtung Rumänien, aber auch nach Serbien und Mazedonien, um abgelehnte Asylbewerber loszuwerden. Denn nach einem Beschluß der Innenministerkonferenz von Ende Mai gilt ein Abschiebestop nur noch für Flüchtlinge aus Bosnien-Herzegowina sowie für Flüchtlinge aus Kroatien, die vor dem 22. Mai 1992 eingereist sind. Folglich müssen auch die in Hamburg lebenden Roma jugoslawischer Herkunft die zwangsweise Rückführung nach Madzedonien, Slovenien oder Serbien fürchten.

„Ich halte es für kriminell, Menschen ins ehemalige Jugoslawien abzuschieben“, sagt Kawczynski. Roma seien dort der Willkür aller übrigen Volksgruppen ausgesetzt. Tagtäglich komme es zu Vergewaltigungen, würden Menschen als Kanonenfutter an der Front eingesetzt. „An unserer Volksgruppe kann sich dort jeder vergreifen, ohne daß sich im Ausland jemand aufregt.“ Keinen anderen Wehrpflichtigen würde man nach Serbien abschieben, „keine Frage, der kommt an die Front“.

Nach Ansicht der Rom & Cinti Union (RCU) müßte die Abschiebung jugoslawischer Roma solange ausgesetzt werden, bis auf europäischer Ebene über die Zukunft der Volksgruppe entschieden ist. So sei eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof anhängig, auch würden sich Europa-Rat und KSZE mit der Frage befassen, was denn nach Auflösung des alten Jugoslawiens mit der ursprünglich zwei Millionen Menschen umfassenden Volksgruppe passiert. Forderung der RCU: den Roma sollte dasselbe angeboten werden, was den Juden aus der Sowjetunion angeboten wird. „Ein Aufenthaltsrecht für die Menschen, die ihre Heimat verloren haben.“

Statt dessen mache sich die Hamburger Ausländerbehörde daran, den Roma in Zusammenarbeit mit ausländischen Konsulaten „mit Gewalt Staatsbürgerschaften zu verpassen“. Ein „absolut völkerrechtswidriges Verfahren“, da es keinem Staat erlaubt sei, anderen Staatsbürgern eine Staatsangehörigkeit zuzuweisen, sagt Kawczynski: „Bornhöft setzt sich mit einer Dorfsheriff-Mentalität über internationales Recht hinweg.“

Der Amtsleiter der Ausländerbehörde zeigte sich nicht allzu beeindruckt von den Ausführungen des Roma-Sprechers. Sein Amt habe eine negative Stellungnahme zur Bürgerschafts-Petition erarbeitet, weil es „keine andere rechtliche Möglichkeit“ gebe. Eine Aussetzung der Abschiebung bis zur Klärung auf europäischer Ebene sei nur dann denkbar, wenn der Bundesinnenminister die Länder drum bitte.

Bornhöft räumt gegenüber der taz ein, daß Zafer Adzovic in Abschiebehaft genommen wurde, um nach Serbien abgeschoben zu werden. Die Aufregung kann er allerdings nicht verstehen, hatte seine Recherche im Behördenapparat doch ergeben, daß Zafer Adzovics Name nicht auf der Liste der 163 Petenten steht. Na dann.

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