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Vorschlag

■ Bühnenbilder – Entwürfe der KHS Weißensee

Das Bühnenbild ist das einzige was bleibt, wenn im Theater nach der Vorstellung der Vorhang fällt. Es ist auch schon da, bevor er sich öffnet. Es ist – neben den Kostümen – das einzige transitive Element dieser Augenblickskunst. Vielleicht widmet ihm die Kritik deshalb in der Regel wesentlich weniger Aufmerksamkeit als den Schauspielern. Dabei hat sich die Arbeit des Bühnenbildners schon lange von einer reinen Illustration oder bloßen Lokalisierung der Inszenierung entfernt. Räume, wie sie Karl- Ernst Herrmann für Peter Stein, Achim Freyer und Robert Wilson für sich selbst, Reinhard van der Thannen für Hans Neuenfels oder Bernhard Kleber für Leander Haußmann bauen, sind – so konkret sie auch scheinen mögen – Seelenschauplätze, Visualisierungen dessen, was die jeweilige Theaterwelt im Innersten zusammenhält. Das trifft auch für die leere Bühne in der Tradition des Armen Theaters zu. Die Bühnenausstattung im postnaturalistischen Zeitalter begleitet die Regie nicht nur durch ihre Funktionalität, sondern bezieht Stellung. Die Experimente von Adolphe Appia und Gordon Craig haben die Bühnenbilder aus ihrem Kulissendasein befreit und in Spielräume erlöst.

Die Kunsthochschule in Weißensee bildet BühnenbildnerInnen aus. Derzeit sind 50 StudentInnen eingeschrieben. Neben einer Professur für Bühnenbild (Volker Pfüller) gibt es ab dem nächsten Semester erstmals reguläre Professuren für Kostümbild (Heidi Brambach) und Regie bzw. Dramaturgie (Hans-Joachim Ruckhäberle). Ein Bühnenbildentwurf ist der räumliche Teil einer Inszenierungskonzeption. Nur die Schauspieler fehlen. Ein Bühnenbildentwurf ist eine Verheißung auf Theater.

Elf der StudentInnen stellen derzeit in der Galerie VBK einige Entwürfe der letzten beiden Semester aus. Figurinen und szenische Konstellationen, gezeichnet oder aquarelliert, größere und kleinere Raummodelle sind zu begutachten. Diese fiktiven Arbeiten antizipieren Inszenierungen von Gombrowiczs „Yvonne, Prinzessin von Burgund“, Müllers „Auftrag“, Tollers „Hinkemann“ oder Tschechows „Kirschgarten“. Es sind zumeist weitläufige Entwürfe, die tiefe Bühnen brauchen und viel Spielfläche gewähren. Ab und zu wurde in die Modelle ein kleines Püppchen plaziert – ein Schauspielerzitat. Diese Püppchen, sagt Volker Pfüller, sind eine „Weißenseer Spezialität“. Herausgelöst aus möglichen Räumen sind etliche von ihnen in bunter Reihe extra exponiert: Mit Bast umwickelte Drahtgestelle von mehreren Zentimetern Höhe. Mit Hilfe von Geschenkpapier, Stoffresten, etwas Wolle oder Farbe entstanden Könige oder Mätressen, Clowns und Melancholiker inklusive eines modellierten Bären und eines Pinguins – ein barockes Wandertrüppchen auf dem Weg nach Vorgestern. In die ausgestellten Raummodelle wollen sie nicht passen, auch nicht zu den zum Teil expressionistisch ausgeführten Figurinen. Aber als Traditionsgalerie bilden sie einen durchaus angemessenen Rahmen.

Lohnt der Weg in die Prenzlauer Allee? In etwa zwanzig Minuten hat man alles gesehen. Die Vorstellung aber hat Stunden zu tun. Petra Kohse

Die Ausstellung der Bühnenbildklasse Kunsthochschule Weißensee ist noch bis 29. September in der Galerie VBK, Prenzlauer Allee 31, Prenzlauer Berg, Mo–Fr 14-18 Uhr zu sehen.

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