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„Blastert auf seine gelben Dinger und macht sie alle nieder“

■ Funkausstellung: Kids im Banne der Computerspiele / Marktführer kündigt neue Spiele-Generation an

„Irgendwann wird der Staat Selbsthilfeprogramme für jene verzweifelten Eltern fördern, die ihre Kinder wieder vom Videospiel lösen wollen.“ Kopfschüttelnd stand ein Sportpädagoge vor dem flimmernden und lärmenden Nintendo-Areal auf der Internationalen Funkausstellung in Berlin, das von Jugendlichen belagert wurde. Der weltgrößte Videospiel- Produzent aus Japan hatte dort in der Art einarmiger Banditen Bildschirme aufgereiht. Manche Spielwütige – die jüngsten fünf Jahre alt – klebten von morgens bis abends an den Geräten. Wehe dem, der ihren Platz begehrte.

Das Phänomen in Zahlen: Die Welt von „Super Mario“, einem kleinen italienischen Klempner, und seinen computeranimierten Freunden hat inzwischen jeden fünften Haushalt in Deutschland erreicht. Die knollennasige Kultfigur soll in den USA bei Jüngeren inzwischen bekannter sein als Disney-Star Micky Maus. Zur Fangemeinde zählt der Marktführer inzwischen 200 Millionen fingerfertige Strategen. Von 1979 bis 1993 verkaufte Nintendo über den Erdball verteilt 100 Millionen Spiele und tragbare Gameboys.

Vergangenes Jahr erzielte das Unternehmen, in dem rund 5.000 Mitarbeiter beschäftigt sind, einen Umsatz von knapp neun Milliarden Mark. Obwohl Nintendo nach den Worten seines Europa-Referenten Rudolph veraltete Spiele immer wieder aus der Produktpalette herausnimmt, sind zur Zeit rund 450 Videospiele erhältlich.

Dazu gehört etwa „Mystic Quest“, wo die Guten gegen abstruse Bösewichte wie Schleimkeim, Gift Zwerg, Amok Baum, Metzger und Moder-Rippe antreten. Der Luchs „Bubsy“ muß die Wollknäuel der Erde in Ordnung bringen. Wüste Wikinger – „The Lost Vikings“ – werden auf ein Raumschiff in die Zukunft gebeamt und prügeln sich durch einen Kosmos-Zoo. „Darkwing Duck“ ist der Rächer der Erpel und Enten. Kampfkröten, gefräßige Pfannkuchen, und so fort ...

Den zumeist minderjährigen Konsumenten der kniffligen Unterhaltungselektronik serviert Nintendo ab Mitte September „Super Mario All-Stars“. Das sind drei Klassiker und ein Spiel, von dem selbst Experten offenbar nicht wissen, wie viele Ebenen es eigentlich enthält. Mario, den sie den „Jumpman“ nennen, wird mit Geheimbotschaften, Rätseln, Labyrinthen, tückischen Fallen und verschlagenen Gegnern konfrontiert und darf magische Hilfsmittel einsetzen.

Dreidimensional und im Stereoton macht sich bald auch ein Spiel auf den Bildschirmen breit, das mit Extra-Chip in der Software schnellere Spielabläufe ermöglicht. Die Mannschaft um Kapitän Fox schützt den Planeten Coneria und erobert die Galaxie. Einer der Gegner ist die Raumfähre „Metal Smasher“. Die Autoren des Club- Magazins von Nintendo raten den Eingeweihten: „Blastert auf seine gelben Dinger und macht sie alle nieder. Im Notfall Retro-Raketen benutzen.“

Als absolut zukunftsweisend pries das Unternehmen auf der Funkausstellung seinen Sprung von der 16- in die 64-Bit-Technik an. Mit Hilfe der kalifornischen Firma „Silicon Graphics“ will Nintendo künfitg hochauflösende Bilder, Grafiken und Animationen von Filmqualität produzieren. In Videospielen sollen dann Dinosaurier auftauchen, die so lebendig wie ihre urzeitlichen Vorfahren aussehen. Schon 1994 gebe es eine Version für Spielhallen, ab 1995 als Heimspielgerät. Elisabeth Weymann/dpa

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