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■ Will TeichertVerwantwortung ist eine abnehmbare Last

Verantwor-tung ist eine abnehmbare Last

„Irgendein sprachlicher Übeltäter“ habe aus den Asylsuchenden „Asylanten“ gemacht, stellte bereits 1980 die Saarbrücker Zeitung fest. Seitdem hat der Begriff mit seinen vielfachen Zusammensetzungen eine verhängnisvolle Öffentlichkeit erreicht: Asylantenschwemme, Asylantenflut, Asylantenlawine, Scheinasylanten. Diese Wortsignale der Bedrohung werden verschärft über die fahrlässige Verwendung historisch belasteter Begriffe. Von „Überfremdung“ ist die Rede und von ausländerpolitschen „Zeitbomben“.

Auf suggestive, emotionale Wirkung setzen Schlagzeilen aus dem paramilitärischen Sprachfundus: „27.000 in Anmarsch auf Berlin“ (Bild am Sonntag, 28. September 1986). Bilder wie „Das Boot ist voll“, die bewußte Verbindung krimineller Delikte mit ethnischen Gruppen (Ladendiebstähle der Sinti/Roma, Russen-Mafia, polnische Autoschieber), instinktlose Überschriften wie „Asyl: Bonn gibt Gas“ (Bild, 22. 10. 1992) lassen sich kaum noch als Gedankenlosigkeiten entschuldigen.

Es gehört zur journalistischen Kompetenz entscheiden zu können, in welchen Fällen ethnische Charakteristika zu kriminellen Vorgängen benannt werden müssen und in welchen nicht. Die Banden-Dominanz einer bestimmten Gruppe im Rotlichtmilieu einer Großstadt macht die Kennzeichnung notwendig. Die private Eifer-suchtstat nicht. Es gehört zum journalistischen Handwerk zu erkennen, wo rassistische eingefärbte Metaphern drohen, wann in einer aufgeheizten Debatte behutsam zu formulieren ist, wo man Mögliches auch einmal unterläßt. Die Auftritte von rechtsradikalen Bands im Fernsehen konterkarieren die Ansprüche journalistischer Sorgfalt.

Der Umfang journalistischer Fehlleistungen stützt den Verdacht, daß die journalistisch-handwerklichen Maximen einer sachlichen, verantwortlichen Informationsaufbereitung an Stellenwert verloren haben. Die Medienproduktion scheint zunehmend Bedingungen ausgesetzt, die weniger mit der Wahrung der Menschenwürde oder der Förderung des Gemeinwohls zu tun haben, um so mehr aber mit den Gegebenheiten des Marktes und den Zwängen der Medienunternehmen.

Die Aufgabenverantwortung beschreibt nicht nur Anspruch an den einzelnen Journalisten. Sie gilt insbesondere den Redaktionen, den Medienunternehmen. Weil wir als Publikum Vertrauen in die Informationsleistungen der Medien setzen und setzen müssen, sind diese in der Pflicht, Rahmenbedingungen zu schaffen, die eine verantwortliche Wahrnehmung der öffentlichen Information garantieren.

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