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Abschied vom "Steinernen Herz"

■ Symbolische Versenkung beim "Tag für die Flüchtlinge" auf dem Wannsee: Der Flüchtlingsrat lud Menschen aus 41 Nationen zur Dampferfahrt / Ein schönes Fest mit Gästen, denen oft Abschiebung droht

Am Sonnabend, kurz nach zwei, legen die beiden Ausflugsdampfer „Cecilienhof“ und „Sanssouci“ in Spandau an. Etwa 500 Flüchtlinge, weit über die Hälfte von ihnen Kinder, klettern von Bord, um einer symbolischen Aktion zuzusehen. Der Flüchtlingsrat Berlin wird im trüben Gewässer des Havelkanals den Wanderpreis für Unmenschlichkeit, das „Steinerne Herz“, versenken. Vor vier Jahren erhielt ihn erstmals Oscar Lafontaine, der 1990 als erster Ministerpräsident das Grundrecht auf Asyl in Frage gestellt hatte, ein Jahr darauf Helmut Kohl. Als im vergangenen Jahr die Häuser von Flüchtlingen brannten und Deutsche beifallklatschend danebenstanden, wurde das „Steinerne Herz“ dem „Häßlichen Deutschen“ gewidmet. Jetzt, nachdem Flüchtlinge fast überhaupt nicht mehr ins Land gelassen werden, „ist das Steinerne Herz bei vielen in der Brust gewachsen“, sagt der Flüchtlingsrat. Und deshalb muß es herausgerissen werden, für immer verschwinden, damit ein neues, lebendiges Platz hat. Als Rita Kantemir, Flüchtlingsberaterin, mit einer gewaltigen Schere die Adern durchschneidet, plumpst das Herz in die braune Havelbrühe. Es war ein schönes Herz, maßstabs- und detailgetreu mit Herzkammern und Aorta.

Und die Flüchtlinge, allen voran die Kinder, eilen wieder auf die Schiffe, bestens gelaunt, mit Bonbons in der Hand. Der symbolische Versenkungstag ist für sie ein wunderschöner. Der Flüchtlingsrat Berlin, ein Zusammenschluß vieler Menschenrechtsorganisationen, Wohlfahrtsverbände, Beratungsstellen, Kirchenkreise hat ihnen ein Geschenk gemacht. Statt wie in den Jahren zuvor am 1. Oktober mit viel Papier und Statements den „Tag des Flüchtlings“ zu begehen, feierten sie mit Eis, Musik und Achtstundenfahrt auf dem Wannsee am 2. Oktober einen „Tag für den Flüchtling“. 10.000 Mark hat die Aktion gekostet und furchtbar viel Vorbereitung. „Aber die Anstrengung hat sich gelohnt“, sagt Frauke Hoyer, die Hauptorganisatorin.

Auf den beiden Schiffen tummeln sich Menschen aus 41 Nationen. Die meisten leben seit Jahren in irgendwelchen Flüchtlingsheimen, ein Tag auf dem Wannsee war bisher undenkbarer Luxus. Bei den Einladungen wurden Familien mit vielen Kindern bevorzugt. Die Kleinen aus Ghana, Bosnien, Kurdistan, Indien, Afghanistan und Zaire überwinden alle Sprachbarrieren, sie verständigen sich untereinander auf deutsch, oft fließend. Die Erwachsenen sind noch etwas vorsichtiger, versuchen die Distanz mit Lächeln zu überwinden. Fast alle wissen, daß ihr Antrag auf ein Bleiberecht scheitern wird. Auf der „Cecilienhof“ trommelt die Gruppe „African- mma“, auf dem Schwesterschiff „Sanssouci“ verwandelt ein Zauberer Steine zu Keksen. Sein Zauberlehrling hat vor einigen Tagen am Waterloo-Ufer eine „freiwillige Grenzübertrittsbescheinigung“ erhalten. Weil er kein bosnischer Moslem, sondern ein kroatischer Christ ist, läuft die befristete Duldung als Kriegsflüchtling aus. Im Unterdeck der Schiffe malen Sechsjährige ihre Namen auf bunte Fähnchen und schmücken damit das Schiff. „Nasite aus Togo“, steht auf einem, „Eugenie aus Moskau“ auf einem anderen, und dazwischen „Christine aus Bayern“. Anita Kugler

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