: Frauen nach der Zeit im Knast
■ Niedersachsen finanziert Programm für haftentlassene Frauen
Der Blick nach draußen...
Osnabrück „Das ist jetzt mein Zuhause“, sagt die 32 Jahre alte Petra mit leiser Stimme. Sie läßt dabei den Blick mit etwas Stolz durch ihr eigenes kleines Zimmer streifen. Ein Zuhause hatte Petra bisher nicht. In Erziehungsheimen ist sie groß geworden, vier Jahre saß sie im Gefängnis. In dem ersten Wohnprojekt Niedersachsens für aus der Haft entlassene Frauen in Osnabrück baut sie sich jetzt ein neues Leben auf.
Seit 1991 leben jeweils fünf Frauen gleichzeitig in der Wohngemeinschaft. Sozialarbeiter der Anlaufstelle für Straffällige des Diakonischen Werkes betreuen sie. Justizministerin Heidi Alm-Merk: „Frauen, die aus dem Gefängnis kommen, werden von der Gesellschaft noch viel stärker ausgegrenzt als dies bei Männern der Fall ist“. Frauen würden in den Anstalten immer nur Wäsche waschen, im Strafvollzug seien sie immer nur Anhängsel des Männervollzuges und würden „in jeder Hinsicht untergebuttert“. In Niedersachsen werden bislang nur 13 Wohngemeinschaften strafentlassener Männer mit rund 900.000 Mark im Jahr gefördert.
Die fünf Frauen des Osnabrücker Projektes können nach dem Leben hinter Gittern jetzt in ihrer Wohngemeinschaft gemeinsam die ersten Schritte in eine bessere Zukunft beschreiten. Die Miete und die täglichen Ausgaben bestreiten sie selbst, meist von der Sozial- oder Arbeitslosenhilfe. Die Sozialarbeiterin Yvonne Klein-Helmkamp schaut öfters nach dem Rechten. Einmal in der Woche werden die Probleme des Alltags in einem Gruppengespräch im Gemeinschaftsraum geklärt.
Drei Monate sollen die Frauen in der Regel in den Zimmern bleiben. Angesichts der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt wird es meist länger. Petra wohnt jetzt seit knapp einem Jahr in der Gemeinschaft. Das Projekt ist für sie der Rettungsanker in ihrem Leben. Denn nach Jahren in der Drogenszene und im Knast hatte sie keine Freundinnen und Freunde mehr. Mit ihren Mitbewohnerinnen und den Betreuern unternahm sie in diesem Sommer ihren ersten Urlaub seit 14 Jahren. „Es war herrlich“, schwärmt Petra.
„Die Frauen bekommen ein neues Selbstwertgefühl“, beschreibt Hartmut Lenk die wichtigste Funktion des Wohnprojektes. Der Leiter der Anlaufstelle für Straffällige in Osnabrück verweist mit etwas Stolz in der Stimme auf erste Erfolge: Mehr als die Hälfte der Frauen schaffen in der Regel den Einstieg in ein neues Leben und können in eine eigene Wohnung ziehen. Doch einige wurden auch wieder straffällig oder verschwanden spurlos.
Petra will sich jetzt ein eigenes Zimmer suchen, am liebsten zusammen mit einer Freundin. Den Kontakt zu den Sozialarbeitern kann sie behalten. Aufgrund ihrer Drogenabhängigkeit ist sie zur Zeit arbeitsunfähig. Doch sie hat einen Traum: „In einer eigenen Boutique Klamotten verkaufen, das wäre toll.“ Rolf Lampe/dpa
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen