piwik no script img

SanssouciVorschlag

■ 24 Stunden „Psycho“ in den Kunst-Werken

Szene aus „Psycho“ Foto: Kunst-Werke

Wie es halt so mit Ikonen ist: Jeder kennt die Antwort auf die Frage nach dem „Was passiert dann?“ Janet Leigh wird, nachdem sie 40.000 Dollar aus der Kasse ihres Chefs veruntreut hat, schon bald von einem Irren in Frauenkleidern abgestraft und in Bates' Motel mit kurzen Stichen eines großen Küchenmessers unter der Dusche hingemetzelt werden. Alles in schnellen, abgehackten Schnitten gefilmt und mit einem stoßhaft schrillen Soundtrack unterlegt. Soweit Hitchcock.

Douglas Gordon hat nun die zwei Thrillerstunden von „Psycho“ auf zwei Bilder pro Sekunde verlangsamt, auf daß die große Erzählung vom Ödipus und Massenmörder als Videoinstallation auf einer Großbildleinwand in den Kunst-Werken, Auguststraße 69, 24 Stunden dauert, von Samstag abend, 20 Uhr, bis Sonntag um die gleiche Zeit. Dabei verschwinden all die Tricks, mit denen der Film gewöhnlich sein Publikum bei der Stange hält. Schnitte werden zu langsam und beschwerlich fallenden Theatervorhängen. Anschließend spielt sich wiederum nur bereits allzu Bekanntes ab, die klaustrophobische Filmmusik und jeder noch so nervenzermürbende Dialog mit dem notorischen Stotterer Anthony Perkins entfallen. Was bleibt, ist reine Atmosphäre, ein einziges sich in die Länge ausdehnendes Bildgeflecht: Das im Sumpf versenkte Auto des ersten Opfers geht knapp 20 Minuten lang unter, der voyeuristische Blick durch das Guckloch in der Wand zum Badezimmer dauert beinahe ebensolang an.

Der Actionfilm wird zum abstrakten, monochromen Gemälde, Gordon hat das Ergebnis mit einem großformatigen Barnett Newman verglichen, bei dessen Anblick die Zeit im erhabenen Eindruck stillsteht. Für ungeduldige Kinogänger sei dennoch verraten, daß der grandiose Mord an dem ahnungslosen Detektiv (Treppensturz inklusive) ungefähr um 13.45 Uhr am Sonntag passiert. Wann und wie allerdings das Messer in den Leib von Janet Leigh unter der Dusche fährt, muß man schon selbst ausrechnen – oder die 24 Stunden eben ganz einfach durchhalten. Wir wünschen schon mal gute Unterhaltung! hf

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen